Im Schatten der Zersplitterung

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
constanze_pachner Avatar

Von

"Belfast. Amelia ist acht, als die Troubles beginnen. Zum Ende der Unruhen ist sie Mitte dreißig. Dazwischen spannt sich die Geschichte eines Mädchens, das in einer verrückten Gesellschaft aufwächst und dabei ganz auf sich gestellt ist - trotz der Großfamilie, mit der es unter einem Dach lebt. Amelia will um jeden Preis vergessen, was um sie herum passiert. Wenn Amelia überleben will, muss sie ihren eigenen Weg finden. Aber kann sie das an einem Ort, an dem die Menschen jedes Gefühl füreinander verloren haben?" (Klappentext)

Mit elektrisierender Dramatik peitscht der Roman 'Amelia' von Anna Burns -übersetzt von Anna-Nina Kroll- dem Leser in klarer Knappheit klatschende Elektroschocks um die Ohren.
In sinnstiftend chronologischer Stringenz atmet die auktoriale Erzählstimme Luft schnappend die Geschichte aus, dennoch blieb mir ein dramaturgisch roter Faden in einer gemeißelten Unterwelt aus aneinandergereihten Erzählsträngen, deren Übergänge sich konsequent einer wurzelnden Geschmeidigkeit entziehen, verborgen.

Der Autorin gelingt es mit überspitzt grauenhaften, sardistisch spookyartigen
Szenarien eine Lebenswelt abzubilden, die ihre Realität durch eine tiefgehend strukturelle Brutalität speist, die vor keiner Haustür halt macht. Ihre glasklare Sprache untermauert gekonnt die ungeheuerliche Grausamkeit des Geschehens - auf jeder Seite hinterlässt sie einen Glassplitter, in den man ungeschützt fällt.

Amelia ist ein interessanter, durch die schockierenden Umstände grenzwertig aufwühlender Charakter, der definitiv nichts für schwache Lesernerven ist. Es gilt, sich auf ein in allen erdenklichen Poren, ununterbrochen nadelstechendes Kribbeln gefasst zu machen.
In dieser zersplitterten Schattenwelt versucht Amelia sich aus ihrer zermürbenden, selbst angelegten Zwangsjacke zu befreien, um selbst auf ihre Weise Schatten werfen zu können.