traumatisierte Stadt

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buchlieberin Avatar

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Amelia Boyd Lovett ist noch ein kleines Kind, als di Troubles in Belfast beginnen. Das Buch verfolgt ihren Lebensweg bis 1994. Es ist keine durchgehende Geschichte, es sind eher einzelne Episoden und Lebensabschnitte. Nicht nur von Amelia, sondern auch von Freunden und Familienangehörigen.
Das ergibt einerseits einen gut nachvollziehbaren Abriss über die Geschichte dieser zerteilten Stadt und des Bürgerkrieges, der dort herrschte. Andererseits ist das Buch vor allem einen Überblick über die starken psychischen Probleme und Schäden, die die Menschen die dort täglich inmitten der Gewalt leben erleiden und wahrscheinlich bis zum Lebensende nicht loswerden.
Da ist die enorme Gewaltbereitschaft, fehlende Empathie, Sexbesessenheit, Magersucht, Psychosen, Alkoholismus, Schizophrenie, Halluzinationen, die Unfähigkeit, die Realität hinzunehmen. Einiges ist sicher auch bewusst überspitzt, trifft aber auch bestimmt den Kern, dass eine gesamte Generation traumatisiert wurde und kaum zu normalen Beziehungen und einem normalen Alltag fähig ist. Das zeigt der Ausflug am Ende ganz gut.
Jedes dieser Leben würde ein ganzes Buch füllen. Aber alleine schon Amelias Leben könnte sicher mehrere Bände füllen.
Das Buch ist in Kapitel eingeteilt, die mit einer Jahreszahl versehen sind. SO konnte ich nebenbei auch immer nachschauen, in welche Phase der Konflikt gerade in dieser Zeit angekommen war. Das hat mir bei der Orientierung gut geholfen.
Sprachlich fand ich es nicht so anspruchsvoll wie z.B. den Milchmann von derselben Autorin. Das liegt vielleicht auch an der Perspektive, Anfang ist Amelia ja noch ein Kind. Für mich bliebt sie das irgendwie auch über das ganze Buch. Ich musste auch immer an den Film „Belfast“ denken, den ich letztens erst gesehen habe.
Sehr beklemmendes Buch, das mich mal wieder dazu gebracht hat mich mit der Geschichte Irlands näher zu beschäftigen.