Unruhen

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wal.li Avatar

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Amelia ist noch ein Kind als die Unruhen Ende der 1960er in Nordirland beginnen. Doch natürlich bekommt auch sie mit, dass die Zeit gefährlich ist. Umso stärker behütet sie ihre Schatzkiste, in der sie ihre liebsten und wertvollsten Sachen gesammelt hat. Als ihr Bruder ihren heiligen Besitz, siebenunddreißig Gummigeschosse der britischen Armee, entwendet, ist sie schockiert. Doch dies ist nur der erste Schock, den sie zu überstehen hat. Da ist der Verwandte aus England, der im Einsatz für England quasi zum Feind wird, die Freundin, die stirbt oder die, die Bomben legt, der Kumpel, der mit Mühe entkommt.

Über fast dreißig Jahre spannt sich diese Lebensgeschichte eines Kindes, das zur Jugendlichen und zur Frau wird, immer unter dem Eindruck der Auseinandersetzungen zwischen Iren und Englandfreunden. Da kann es gefährlich werden, einfach nur vor die Tür zu gehen. Und wenn sich mal ein Silberstreif im persönlichen Leben der streitbaren und intelligenten Amelia abzeichnet, dann kann es auch sie selbst sein, die die Chance nicht wahrnehmen kann. Wird Amelia es schaffen, ihr eigenes Leben zu überstehen? Während die Kämpfe ohne Unterlass weitergehen, scheint es auch mit Amelia immer weiter bergab zu gehen.

Für jemanden, der selbst eine doch eher ruhige und unaufgeregte Kindheit und Jugend hatte, kann sich dieser Roman zu einer echten Tour de Force entwickeln. Amelia verteidigt sich, ist schlau, sie schlägt, sie ist alkoholsüchtig, sie isst lieber nicht, sie ist in England. Sehr plakativ werden ihre Lebensphasen geschildert und wenn man denkt und hofft, es kann nicht noch schlimmer werden, wird es schlimmer. Für so halbwegs normale Spießer ist es manchmal nicht leicht zu ertragen, was einem hier zugemutet wird. Man freut sich selbst überraschend am eigenen eher langweiligen Leben. Wie schön, dass man einfach mal in Urlaub fahren konnte, einfach arbeiten, das Leben nach den Möglichkeiten gestalten. Wenn man es vorher vielleicht nicht zu schätzen wusste, nun ist man doch dankbar. Man fragt sich manchmal, wieso Amelia so ist, sie scheint auf eine Art viel ertragen zu können, doch scheint ihr die Resilienz zu fehlen. Sehr eindrücklich ist dagegen die Schilderung, der Gefahr, die über allen schwebt. Bei jedem Schritt muss mit einem Geschoss gerechnet werden oder einer Bombe, die einem um die Ohren fliegt. Das gilt wohl für beide Seiten und man wünschte, sie seinen froh, dass dies überwunden schien. So sicher kann man sich da nicht mehr sein.

3,5 Sterne