Brandaktuelles Leseerlebnis

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Wow, was für ein Trip!

Man landet direkt im Geschehen, mitten in einer Schießerei auf einer Geburtstagsparty. Nur Lydia und ihr Sohn Luca entkommen… und der Leser mit den beiden! Denn genau so war es. Ich habe schon oft Bücher gelesen, bei denen ich das Gefühl hatte, Teil der Geschichte zu sein. Neben den Figuren zu stehen und ihnen zuschauen zu können.
Aber bei DIESEM Buch hier, da war ich live dabei.
Ich war bei Lydia, als ihre Familie getötet wurde. Ich habe mit ihr und Luca in der Dusche gehockt und gehofft, dass mich niemand findet. Ich bin mit den beiden gerannt, gerannt, gerannt…so sehr, dass ich beim lesen das Gefühl hatte, atemlos zu sein. Und mit jeder Seite die ich umgeblättert habe, habe ich den Staub von Mexikos Straßen geschluckt. Wir haben zusammen auf „La Bestia“ gesessen und ich wusste oft nicht, ob ich hoffnungsvoll, oder einfach nur starr und antriebslos sein soll.
Ich habe jedem (und ich meine wirklich ausdrücklich JEDEM), der uns auf dieser Reise begegnet ist, misstraut. Was für ein schreckliches Gefühl das war!
Der Teil des Buchs, in dem die Migranten die Wüste durchqueren, zog sich für mich dann doch in die Länge. Aber dann wurde mir klar, dass das so sein muss, denn es muss das gewesen sein, was auch die Migranten empfunden haben. Alles an diesem Buch ist irgendwie greifbar.

Der Schreibstil ist eigentlich schwierig zu beschreiben. Er ist sehr klar, teilweise fast schon emotionslos, aber dann doch wieder mit soviel Gefühl, dass ich (natürlich nur ganz kurz) Tränen in den Augen hatte. Ich habe die Leere und Verzweiflung gefühlt, die auch Lydia ausgefüllt haben.
Erst bei der Wanderung durch die Wüste kann ich kleine Abstriche machen.
Da wurden die Sätze plötzlich sehr kurz und abgehakt. Das hat mich teilweise schon genervt, da es meinen Lesefluss gestört hat. Trotzdem habe ich hinterher dagesessen und mich gefragt: war eigentlich das ganze Buch in diesem Stil geschrieben? Oder nur dieser Teil? Und ganz ehrlich: ich kann die Frage nicht beantworten. Ich war so mit weglaufen und überleben beschäftigt, ich war so auf Lydia und Luca fixiert, dass es mir nicht aufgefallen ist. Natürlich könnte ich das nochmal prüfen. Möchte ich aber gar nicht. Ich will, dass das Buch einfach weiter auf mich wirkt, so wie es eben ist. Ich will es nicht komplett auseinandernehmen. Ich will diesen Nachhall in mir erhalten.

Obwohl streckenweise nicht wirklich viel passiert ist, fand ich es durchgehend spannend.
Es war sehr gut recherchiert, sehr authentisch und interessant. Bei dem Gedanken daran, dass es Menschen gibt, denen so etwas tatsächlich wiederfährt, läuft es mir kalt den Rücken runter.

Das wird definitiv nicht das letzte Buch gewesen sein, das ich von dieser Autorin gelesen habe. Danke für diese unglaublich intensive Leseerfahrung.