Schmutzige Geschäfte

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
griseldis2000 Avatar

Von

Auf nach Amerika
Mexiko ist weit weg. Und doch ist das Thema Migration auch bei uns topaktuell. Völkerwanderungen, die sogenannte Migration bedeutet nichts anderes als Flucht vor Gewalt, Armut, Verfolgung und unerträglicher Perspektivlosigkeit. Immer noch so zu tun, als geschehe Migration aus freier Wahl und sei eher ein „Sich-Einwanzen-Wollen„ in das Wohlfahrtssystem reicher Staaten, ist schlicht blind und vollkommen fehl am Platze.

Da mögen einige Kritiker dem Roman von Mrs Cummings vorwerfen, er verharmlose das Thema, sei schlicht nicht brutal genug, aber ich finde, es gelingt der Autorin sehr gut, Verständnis zu schaffen für Flüchtlinge aus einer zunehmend verrohten Gesellschaft, wie sie zum Beispiel in Mexiko herrscht. Die Drogenkartelle diktieren, wer lebt und wer stirbt, alle bezahlen an eine Vereinigung von vollkommen degenerierten Männerbünden, die straflos vergewaltigen, morden, einschüchtern, ausplündern.

Lydia, eine gebildete recht unpolitische Buchhändlerin ist mit dem kämpferischen Sebastian, einem der wenigen kritischen Journalisten des Landes verheiratet. Es macht ihr Angst, dass er über die Kartelle schreibt, denn die Sicherheit ihrer Familie geht ihr als Mutter über alles.

Dass sie zufällig Freundschaft schließt mit dem humorvollen, schlechte Gedichte schreibenden Xavier, kommt ihr zunächst vor wie ein Geschenk. Aber der Mann ist der Chef der Jardineros, einer berüchtigten Bande, die dafür bekannt ist, Gartengeräte zur Verstümmelung ihrer Mitmenschen zu benutzen.

In Xaviers Logik ist es schließlich unausweichlich, sozusagen als gerechte Strafe, Lydias gesamte Familie auszulöschen. Nur sie und ihr achtjähriger Sohn Luca entkommen. Die folgende Geschichte ist die ihrer Flucht nach El Norte in die Vereinigten Staaten. Dabei fahren sie unter anderem mit „la Bestia“, den berüchtigten Güterzügen, die zahllosen Migranten als einzige Möglichkeit verbleibt, inkognito zu reisen. Gejagt werden sie dabei von der korrupten Polizei, ausgeraubt und übelst misshandelt, ständig auf der Hut vor Xaviers Schergen, gepeinigt von ihren traumatischen Erinnerungen. In der Gesellschaft anderer Flüchtlinge, vorwiegend aus mittelamerikanischen Staaten, in denen noch üblere Verhältnisse herrschen, finden sie so etwas wie Trost. Ihrer aller Hoffnung liegt auf dem „Cojote“, einem Fluchthelfer, der horrende Preise nimmt für die höchst gefährliche Wanderung über die Grenze durch die Sonora Wüste.

Ich habe mitgefiebert mit dieser Truppe von Verzweifelten, habe gehofft, sie mögen es schaffen in eine bessere Zukunft. Einmal mehr wurde mir bewusst, wie gut ich es habe und wie vielen Menschen das Grundrecht auf Sicherheit und Unversehrtheit nicht gewährt wird.

Romane wie „American Dirt“ mögen keine Tatsachenberichte sein, aber sie sind wichtig. Sie machen klar, dass es keinen Unterschied gibt zwischen den Bedürfnissen der Menschen. Wir alle brauchen einen sicheren Ort, Schutz vor Gewalt und Willkür. Es ist eine weibliche Sicht auf die Welt, die von brutalen Männern beherrscht wird. Und genau diese Perspektive braucht Raum!

Wir leben verdammt nochmal im einundzwanzigsten Jahrhundert Und nicht in der Steinzeit! Und wir haben alle Verantwortung, für das, was da draußen täglich geschieht. Unser Wohlstand, unsere Drogen, unser Luxus wird mit Blut bezahlt.