Spannendes Thema, angenehme Sprache, erdrückende Menge an Information

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throughmistymarches Avatar

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Agnès Poirier erzählt vor dem Hintergrund einschneidender weltgeschichtlicher Ereignisse über das intellektuelle und künstlerische Leben von Paris Rive Gauche, also den Stadtvierteln, die am linken Seine-Ufer in Paris gelegen sind. Ein spannendes Thema, das einige der imposantesten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts als Protagonisten hat. Poirier gelingt es einerseits, eine angenehme Sprache für komplexe zeitgeschichtliche Aspekte (seien sie politischer, philosophischer, soziologischer, oder künstlerischer Natur) zu finden, allerdings wird man schier erdrückt von der Menge an Personen, die behandelt werden und über deren Leben der Leser teilweise fast schon gossipy anmutende Details erfährt. Beides – die Anzahl der Personen, als auch die detailreiche Einsicht in deren Werke und Biografien – zeugt von äußerst tiefgehenden und langwierigen Recherchen, die Poirier mit Sicherheit betrieben hat. Umso mehr finde ich es schade, dass die Ausarbeitung des Buches scheinbar nicht mit dem gleichen Aufwand betrieben wurde. Zu häufig sind mir plötzliche Sprünge, zwischen Personen, aber auch Zeitsprünge, die teils für Verwirrung sorgen; zu wenig fließend funktionieren die Übergänge zwischen den Unterkapiteln; grundsätzlich fehlt es an einem roten Faden, der den Kapiteln Ordnung verleiht. An manchen Stellen wünscht man sich regelrecht, das genauer auf eine Thematik eingegangen wird, stattdessen kommt gleich die nächste Anekdote. Vieles wiederholt sich (teilweise mehrmals) und oft tauchen Zitate auf, werden aber selten kontextualisiert. Auch das Wort „magisch“ im deutschen Untertitel ist meiner Meinung nach irreführend, wird aber wohl grundsätzlich gerne mit Paris in Verbindung gebracht. Der englische Originaltitel „Left Bank. Art, Passion and the Rebirth of Paris, 1940-1950“ ist definitiv passender. Im Gedächtnis blieben mir vor allem Jacques Jaujard und seine Louvre-Rettungsaktion, die Zeit der Belagerung und die Geschichten der Résistance und das einzig Gute, das der Zweite Weltkrieg hervorbrachte: ein vereintes Europa. (Vor allem da es gerade leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird, ist es immer wieder spannend, von den zarten Anfängen zu lesen.)