Mit Icons und viel Herzenswärme erzählt

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Briefromane sind eigentlich wirklich nicht mein liebstes Genre. Die Form hat für mich meist etwas manieriertes, wenn, ähnlich in einer Oper, die Menschen in größer Not und/oder Eile noch zu Feder und Tinte greifen, um von den Ereignissen berichten. Umso erfrischender fand ich allerdings diese zauberhafte Geschichte „An Nachteule von Sternhai“ über Freundschaft und Familie, die in erster Linie über Emails sowie einige weitere schriftliche Kommunikationsformen erzählt wird.

Buch und Hörbuch habe ich hier mal wieder parallel gelesen und gehört. Und beide Funktionen ganz wundervoll (falls sich das jemand beim Hörbuch fragen sollten) und haben jeweils ihren ganz eigenen Reiz.

Zur Geschichte:

Auch, wenn sich Nachteule (Avery) und Sternhai (Bett) zunächst nicht leiden können, die beiden Autorinnen haben mich in meine Mädchenzeit zurückkatapultiert, wo ich mich stundenlang mit meinen Freundinnen per Brief, Postkarte und Telefon ausgetauscht habe (Emails und SMS gab es damals noch nicht). Und darin werden sich auch heutige Kinder und Jugendliche sicherlich gut wiederfinden, denn Goldberg Sloan und Wolitzer treffen diesen Ton der Nähe und Verbundenheit so grandios. Klug, vielleicht manchmal altklug, mit Selbstbewusstsein und Ängsten, Freunde und Traurigkeit sind mir die beiden Mädchen schnell ans Herz gewachsen.

Und dann erzählt die Geschichte einen Bogen, dass Familie so viel mehr ist als Abstammung. Da beide Mädchen schwule Väter haben, der eine schwarz, der andere weiß und jüdisch, wird nebenbei auch ganz viel über Diversity erzählt. Besonders gefreut hat mich, wie leichtfüssig hier Heteronormativität durchbrochen wird.

Die beiden Mädchen sind so von allem möglichen begeistert und bietet dort dann auch mit jenem erstaunlichen Inselwissen auf, das Kinder und Jungendliche sich so aneignen können. Da kommen dann so wundervolle Sätze heraus wie dieser hier:

„Das Palindrom hat keine Kinder.“

Nach dem ersten Drittel gab es für mich einen kleinen Durchhängen und beim Plot ist mir die Konstruktion dahinter schon einige Male deutlich aufgefallen. Aber das liegt wohl auch an der Brief-/Emailform, bei der ging mir das allerdings immer so. Daher schwankte ich zwischen 4 und 5 Sternen, aber letztendlich gefiel mir der Diversity-Aspekt und die Warmherzigkeit so gut, dass ich die 4,5 Sterne aufrunde.

Zur Visualität des Buches:

Bücher haben immer eine visuelle Komponente. Und wenn dieses so genial benutzt wird wie in „An Nachteule von Sternhai“ frage ich mich einmal mehr, warum diese Visualität nicht viel häufiger genutzt wird. Typographie und Buchsatz üben eine Wirkung auf uns Lesende aus, auch das Cover trägt zum Bucherleben bei. Daher wundere ich mich immer wieder, warum grafische Elemente nicht viel häufiger genutzt werden. Es scheint, als würden die Bücher irgendwann dem Kindesalter entwachsen und dann ernst werden. Als könnten nicht auch Bilder ernst sein. (Im Angloamerikanischen Kontext ist das übrigens ein Bisschen anders.)

„Von Nachteule und Sternhai“ ist gerade noch ein Kinderbuch, an der Grenze zum Jugendbuch. Ab 10 kann man es sicherlich schon gut lesen, Jugendliche und Erwachsene werden aber ebenso ihre Freude daran haben. Aber wie sieht nun diese „visuelle Komponente?“

Hier liest man einen E-Mail-Roman, wobei es auch SMSen oder Briefe gibt. Während das Hörbuch, das ich parallel gehört habe, die Schreibenden durch ihre Stimmen klar identifiziert, gelingt das auf den Seiten durch kleine Icons: Sternhai oder Nacheule stellen die beiden Hauptprotagonistinnen dar. Danach folgen die Kopfzeilen der Mails. Absätze, Großbuchstaben und Kursivtext tragen ebenfalls dazu bei, dass sich ein lebendiger Austausch ergibt, auch, wenn der nur schriftlich erfolgt. Die anderen Kommunikationsteilnehmenden werden mit kleinen Briefumschlägen (Mails) bzw. einem Papierflieger (Briefe) angezeigt.

Manchmal ergibt sich ein wahrer Email-Schlagabtausch, so entsteht ein wahrer Dialog:

„Avery: Was, findest du, sind die zwei traurigsten Wörter, die es gibt in unserer Sprache? – Bett: ‚Keine Haustiere.‘ Und DU? – Avery: ‚Träum weiter.’“

Auch das Buch ist eine Gemeinschaftsarbeit, die beiden Autorinnen trennen wie ihre beiden Protagonistinnen dreitausend Meilen. Als Bonus gibt es am Buchende ein kleines Interview mit den beiden.

Fazit:

Warmherzig bleibt man hier ganz nah an den beiden Protagonistinnen. Nachteulen und Sternhaie werden sich hier wiederfinden. Die Geschichte empfehle ich sehr gerne weiter und runde die 4,5 Sterne auf 5 auf.