Enttäuschend

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Als der forensische Psychologe Dr. Benedict Prince ins hoch geheime Projekt „Anna O.“ berufen wird („Das Gespräch hat nie stattgefunden, Sie haben mich nie getroffen“), scheint er die beste Wahl für diesen Posten zu sein. Ben gilt als Schlaf-Guru, hat zum Thema „Resignationssystem“ veröffentlicht und sich mit der Schuldfähigkeit Verdächtiger befasst, die während ihres Schlafwandelns Straftaten begangen haben. Da der europäische Gerichtshof Anna Ogilvys Freilassung veranlassen will, soll sie möglichst schnell aus ihrem vierjährigen komaähnlichen Schlaf geweckt und vor Gericht gestellt werden. Anna hatte als Autorin zu einem spektakulären Kriminalfall von 1999 recherchiert, zu dem es hochinteressante Unterlagen eines anonymisierten Patienten gibt.

Bei einem Paintball-Spiel waren vor 4 Jahren Annas Eltern und Ihr Bruder gegen sie und die Mitherausgeber ihrer Zeitschrift für True Crime angetreten. Indira und Doug wurden danach tot in ihrer Unterkunft aufgefunden; die blutüberströmte Anna konnte sich angeblich nicht an die Tat erinnern. Da Anna und die Opfer privat und geschäftlich verbunden sind und ihre Mutter früher Gesundheitsministerin war, fragt man sich, wem die Tat nützt oder schadet. Dass Bens Frau Clara damals als Kriminalkommissarin als erste am Tatort eintraf, sollte zu denken geben.
In der feudalen Schlafklinik „The Abbey“ wird die Patientin hauptsächlich von Ben Prince und der Pflegerin Harriet Roberts betreut. Bens Vorgesetzte ist die rund 60jährige Psychologin Prof. Virginia Bloom, ebenfalls erfahren im Bereich Straftaten, an die sich Verdächtige angeblich nicht erinnern können. Unrealistisch bei einer Patientin, die künstlich ernährt und von Geräten überwacht wird, ist die Abwesenheit von Ärzten und eines spezialisierten Intensiv-Pflege-Teams. Wie Halbgötter schalten und walten Ben und Harriet ohne erkennbare Absprache mit Medizinern.
Ben als Icherzähler dominiert den durchaus spannenden Plot; im Wechsel mit Ausschnitten aus Patientenakten, Annas Tagebuch und der Sicht eines allwissenden Erzählers auf Ben, Clara, Prof. Bloom, Harriet, Emily Ogilvy, Identitäten aus Sozialen Medien und weiteren Personen.

Fazit
Matthew Blake hält seine Sätze kurz, die Kapitel durch schnelle Schnitte ebenfalls. Durch die vielen Kapitelanfänge ist der Text daher über 50 Seiten kürzer als die angegebene Seitenzahl vermuten lässt. Insgesamt wirkt das europaweit gehypte Buch sprachlich flach und inhaltlich oberflächlich, da viel behauptet und wenig gezeigt wird. Ein unrealistisches Setting und die denkbare Manipulation durch einen Icherzähler ließen mich zu früh an der Zuverlässigkeit der Figuren zweifeln, um noch gespannt auf die Lösung hin zu fiebern.

3 Sterne für die Plot-Idee.