Ein wundervoller zeitloser Kinderbuchklassiker im neuen Gewand

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Ich liebe den Roman „Anne auf Green Gables“. Ob über das Lesen, Hören oder den Bildschirm – ich habe das rothaarige Waisenmädchen Anne Shirley inzwischen gefühlte hundertmal auf ihren Erlebnissen begleitet und bin jedes Mal aufs Neue begeistert. Als ich erfuhr, dass es die Geschichte jetzt auch als Graphic Novel gibt, stand für mich sofort fest, dass ich auch diese Version kennenlernen möchte.

Die etwas in die Jahre gekommenen Geschwister Marilla und Matthew Cuthbert haben beschlossen einen Jungen zu adoptieren, der ihnen bei der Arbeit auf ihrer Farm Green Gables zur Hand gehen soll. Doch als Matthew am Bahnhof ankommt, wartet dort kein Junge auf ihn, sondern ein sehr dünnes, sommersprossiges und rothaariges Mädchen. Es stellt sich ihm mit dem Namen Anne Shirley vor (Anne mit einem E am Ende!), und redet ohne Punkt und Komma. Matthew schließt dieses merkwürdige Mädchen sofort in sein Herz, aber was wird seine Schwester dazu sagen? Wie von ihm befürchtet, ist Marilla wenig begeistert darüber, dass er mit einem Mädchen nach Green Gables zurückkehrt und möchte es ins Waisenhaus zurückschicken. Sie muss sich jedoch schnell eingestehen, dass sie diesen quirligen Rotschopf bereits in ihr Herz geschlossen hat. Die Cuthberts fassen schließlich den Entschluss, die elfjährige Anne doch zu behalten. Anne ist überglücklich und liebt ihr neues Zuhause vom ersten Moment an. Das Leben der Cuthberts wird dank ihres lebhaften Adoptivkindes gehörig auf den Kopf gestellt werden und sich komplett verändern.

„Anne auf Green Gables“ zählt schon seit langem zu meinen absoluten Lieblingsklassikern, für mich ist es sogar eines der schönsten Kinderbücher, das ich bisher gelesen habe. Meine Erwartungen an die Comic-Adaption waren dementsprechend ziemlich hoch – und ich wurde nicht enttäuscht! Ich finde, dass es Mariah Marsden und Brenna Thummler sehr gut gelungen ist, Lucy Maud Montgomerys klassischen Roman in eine Graphic Novel umzuwandeln und ihn mit ihrem gemeinsamen Debüt im neuen Glanz erstrahlen zu lassen. Ersetzen kann diese Neuinterpretation das Originalwerk natürlich nicht, das kann keine, aber sie wird ihr durchaus gerecht.

Obwohl die Story gekürzt wurde und sie als Comic einen ganz eigenen nostalgischen Charme erhält, kommt der Zauber der Anne-Erzählungen direkt rüber. Mariah Marsden hat es gekonnt geschafft, die wichtigsten Stellen herauszufiltern und die Geschichte als Comic neu zu erzählen, ohne dass deren Geist verloren geht. Alle Figuren werden überzeugend dargestellt und haben ihre jeweiligen Besonderheiten. So ist Anne das aufgeweckte rothaarige Mädchen, wie wir es kennen und lieben. Ihre Lebensfreude und blühende Fantasie; ihre Entschlossenheit und klugen Gedanken; ihre temperamentvolle, ehrliche und verträumte Art; die vielen Fehler, die sie macht und aus denen sie lernt – Anne besitzt einfach so viele wertvolle Eigenschaften und alle sind sie hier wunderbar getroffen. In meinen Augen hat Lucy Maud Montgomery mit Anne eine der bedeutsamsten und inspirierendsten Heldinnen der Kinderliteratur erschaffen. Denn Anne zeigt uns wie wichtig es ist, offen, fantasievoll und neugierig durch die Welt zu gehen und dass man niemals die kleinen Dinge im Leben aus den Augen verlieren darf und sich an ihnen erfreuen sollte.

Die Erzählungen über Anne Shirley sind eindeutig zurecht zu Klassikern geworden und dürfen auf keinen Fall in Vergessenheit geraten. Ich finde es daher großartig, dass sie immer wieder neu aufgelegt und adaptiert werden und – wie hier – einer jüngeren Leserschaft zugänglich gemacht werden, vor allem für Lesemuffel ist dieser Comic dank der geringen Textmenge ideal geeignet. Für Erwachsene und Kenner*innen ist er aber natürlich ebenfalls eine absolute lesenswerte Lektüre. Mariah Marsdens und Brenna Thummlers Adaption ist einfach ein Buch für jedermann. Es ist für alle, die Anne kennen und lieben möchten – und danach hoffentlich auch zu den Originalromanen greifen werden. Und es ist für diejenigen, die ihre Liebe für Anne bereits für sich entdeckt haben und ihre Abenteuer mal in einer ganz anderen Art erleben möchten.

Neben Mariah Marsden hat auch Brenna Thummler eine tolle Arbeit geleistet. Ihre Illustrationen sind farbenfroh und liebevoll und so ausdrucksstark, dass sie die Geschichte oft über mehrere Panels hinweg ganz ohne Worte erzählen können. Ihr Zeichenstil ist wirklich außergewöhnlich, zwar nicht richtig schön, was die Gesichter der Personen anbelangt – ich persönlich habe ich mich an den pupillenlosen Augen zunächst ein wenig gestört – aber er gibt die Emotionen der Figuren und die Atmosphäre der Erzählung sehr gut wieder und lässt so unvergessliche Szenen wie Marillas verlorene Amethyst-Brosche oder den Vorfall mit dem Himbeersirup lebendig werden. Zusammen mit Mariah Marsdens Text fangen Brenna Thummlers Bilder die Schönheit und Magie von Avonlea und Green Gables perfekt ein, sodass man nur zu gut nachvollziehen kann, warum Anne so fasziniert von diesem Ort ist und wie sie am liebsten gar nicht mehr von dort weg möchte.

Fazit: Mit ihrer gemeinsamen Graphic Novel bescheren uns Mariah Marsden und Brenna Thummler eine wundervoll nacherzählte und illustrierte Neuinterpretation des kanadischen Kinderbuchklassikers „Anne auf Green Gables“. Ich kann diese moderne Comicbuch-Version von Lucy Maud Montgomerys herzerwärmender, unterhaltsamer und zeitloser Geschichte jedem nur ans Herz legen, aus meiner Sammlung ist sie nun nicht mehr wegzudenken. Sie fesselt, berührt und verzaubert Neulinge und eingefleischte Fans, Jung und Alt, und sollte bei allen Liebhaber*innen der „Anne auf Green Gables“ – Reihe im Regal stehen. Mir hat es viel Freude bereitet, eine mir so wohlvertraute Geschichte auf eine völlig neue Art und Weise kennenlernen und erleben zu dürfen. Über weitere Anne-Comicbände würde ich mich sehr freuen. Von mir gibt es 5 von 5 Sternen!