Aktueller und notwendiger denn je
Kurz nach dem mysteriösen Tod ihrer Mutter und dem nicht wirklich mysteriösen Tod der Queen nimmt die 50-jährige Durga an einem Agatha-Christi-Workshop in London teil, als sie sich plötzlich in einer U-Bahnstation Anfang des 20. Jahrhunderts wiederfindet - und das auch noch als Mann und knapp drei Jahrzehnte jünger. Ohne jegliche Erinnerungen an das bisherige Leben von Sanjeev, in dessen Körper Durga geschlüpft ist, sucht er/sie Zuflucht im India House. Im India House, das von dem Revolutionär, Rechtsanwalt und Journalisten Shyamji Krishna Varma gegründet wurde, leben Studenten, Revolutionäre und Freiheitskämpfer, die sich für ein unabhängiges Indien einsetzen. Gewalt ist hierbei ein legitimes Mittel. Als der Chef der britischen Geheimpolizei Curzon Wyllie durch ungeklärte Umstände aus der Bibliothek von India House verschwindet und nichts als seinen Anzug und jede Menge Blut hinterlässt, beginnt Sanjeev zu ermitteln.
Die Beschreibung der Figuren, sowohl äußerlich als auch ihrer Charaktereigenschaften, bleibt seltsam distanziert. Es fällt daher etwas schwer sich mit den Charakteren zu identifizieren. Die zahlreichen im Buch vorkommenden Personen (die meisten davon mit indischen Namen), Zeitsprünge und historische Verweise machen die Lektüre anspruchsvoll. Genau das ist wiederum die Intention der Autorin. Durga äußert sich im Roman zu einer gleichen Situation zutreffend: „Genau, das ist ja das Problem! Ihr wisst nichts über uns, deshalb wollt ihr nicht zu viele von uns in euren Geschichten haben. Und weil wir wiederum nicht in euren Geschichten vorkommen, wisst ihr nichts über uns. Ihr kennt noch nicht einmal unsere Namen…“ (S. 223)
Personen die sich wenig mit Anti-Rassismus, Feminismus und Queerness beschäftige haben es mitunter schwer, da das Wissen über Anglizismen wie „channeln“ „canceln“ und „Backlash“ vorausgesetzt wird.
Mit über 530 Seiten ist das Buch lang und man fragt sich streckenweise ob 400 Seiten nicht auch gereicht hätten.
Unverwechselbar und unterhaltsamt bleibt Mithu Sanyals Sprache, die humorvoll und offenherzig ist und die ernste und komplexe Handlung des Romans ideal kontrastiert. Die Tatsache, dass Aussagen und Überzeugungen der Charaktere immer wieder hinterfragt werden erzeugt Nahbarkeit. Im Gegensatz zu Kolleg:innen die oft mit radikaler Überzeugung arbeiten, schreibt Mithu Sanyal stets aus fragender manchmal naiver Perspektive. Dies hat zur Folge, dass man sich als Leser:in mitgenommen fühlt.
Der Roman setzt sich hauptsächlich mit den Themen europäische Kolonialgeschichte und Gewalt auseinander über die in Deutschland erschreckend wenig bekannt ist.
„Und ich dachte an all die Demonstrationen gegen all die Kriege des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts, bei denen Durga mitmarschiert war: So groß, so gewaltlos, so wirkungslos. Ich war durch die Zeit gereist, wie ich vorher durch die Welt gereist war: Mit der festen Überzeugung, dass sich die Welt um nicht herum verändern würde, aber ich, ich würde gleich bleiben - während ich mich jetzt fragte, ob sich die Welt hier wirklich so sehr von meine unterschied, aber dafür mich nicht wiedererkannte.“ (S. 272)
Manchmal stellt man erschrocken fest, wie wenig sich in den letzen 100 Jahren verändert hat, insbesondere im Hinblick auf Unterdrückung, Befreiungskämpfe und die Frage nach der Legitimierung von Gewalt. Das Buch von Mithu Sanyal ist brandaktuell und schlau konzeptioniert. Historische Fakten, die Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit und amüsante Sprache ergeben einen effektvollen Mix.
Bei all den aktuellen, vergangenen und zukünftigen Konflikten ist es schwer zu sagen was richtig und was falsch ist. Wie findet man seine eigene Haltung in Zeiten, in denen es nur noch Extreme zu geben scheint? Zum Glück gibt es Mithu Sanyal, die uns zeigt, dass die Wahrheit auch dazwischen liegen kann.
Die Beschreibung der Figuren, sowohl äußerlich als auch ihrer Charaktereigenschaften, bleibt seltsam distanziert. Es fällt daher etwas schwer sich mit den Charakteren zu identifizieren. Die zahlreichen im Buch vorkommenden Personen (die meisten davon mit indischen Namen), Zeitsprünge und historische Verweise machen die Lektüre anspruchsvoll. Genau das ist wiederum die Intention der Autorin. Durga äußert sich im Roman zu einer gleichen Situation zutreffend: „Genau, das ist ja das Problem! Ihr wisst nichts über uns, deshalb wollt ihr nicht zu viele von uns in euren Geschichten haben. Und weil wir wiederum nicht in euren Geschichten vorkommen, wisst ihr nichts über uns. Ihr kennt noch nicht einmal unsere Namen…“ (S. 223)
Personen die sich wenig mit Anti-Rassismus, Feminismus und Queerness beschäftige haben es mitunter schwer, da das Wissen über Anglizismen wie „channeln“ „canceln“ und „Backlash“ vorausgesetzt wird.
Mit über 530 Seiten ist das Buch lang und man fragt sich streckenweise ob 400 Seiten nicht auch gereicht hätten.
Unverwechselbar und unterhaltsamt bleibt Mithu Sanyals Sprache, die humorvoll und offenherzig ist und die ernste und komplexe Handlung des Romans ideal kontrastiert. Die Tatsache, dass Aussagen und Überzeugungen der Charaktere immer wieder hinterfragt werden erzeugt Nahbarkeit. Im Gegensatz zu Kolleg:innen die oft mit radikaler Überzeugung arbeiten, schreibt Mithu Sanyal stets aus fragender manchmal naiver Perspektive. Dies hat zur Folge, dass man sich als Leser:in mitgenommen fühlt.
Der Roman setzt sich hauptsächlich mit den Themen europäische Kolonialgeschichte und Gewalt auseinander über die in Deutschland erschreckend wenig bekannt ist.
„Und ich dachte an all die Demonstrationen gegen all die Kriege des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts, bei denen Durga mitmarschiert war: So groß, so gewaltlos, so wirkungslos. Ich war durch die Zeit gereist, wie ich vorher durch die Welt gereist war: Mit der festen Überzeugung, dass sich die Welt um nicht herum verändern würde, aber ich, ich würde gleich bleiben - während ich mich jetzt fragte, ob sich die Welt hier wirklich so sehr von meine unterschied, aber dafür mich nicht wiedererkannte.“ (S. 272)
Manchmal stellt man erschrocken fest, wie wenig sich in den letzen 100 Jahren verändert hat, insbesondere im Hinblick auf Unterdrückung, Befreiungskämpfe und die Frage nach der Legitimierung von Gewalt. Das Buch von Mithu Sanyal ist brandaktuell und schlau konzeptioniert. Historische Fakten, die Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit und amüsante Sprache ergeben einen effektvollen Mix.
Bei all den aktuellen, vergangenen und zukünftigen Konflikten ist es schwer zu sagen was richtig und was falsch ist. Wie findet man seine eigene Haltung in Zeiten, in denen es nur noch Extreme zu geben scheint? Zum Glück gibt es Mithu Sanyal, die uns zeigt, dass die Wahrheit auch dazwischen liegen kann.