Transchronisch oder doch chronophob?

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Mit Antichristie hat Mithu Sanyal wieder einmal einen Roman vorgelegt, der aktuelle Diskurse über Kolonialismus, Identität und Geschichte aufgreift und dabei auf erfrischende Weise Vergangenheit und Gegenwart verknüpft.

Im Mittelpunkt steht Durga, die in einem britischen Writer’s Room daran arbeitet, Agatha Christie politisch korrekt zu überarbeiten. Gleichzeitig wird sie von den persönlichen Verlusten ihrer eigenen Mutter und Queen Elizabeth II. überschattet. Und dann passiert etwas Unerwartetes: Durga reist in die frühen 1900er Jahre zurück, ins India House, wo sie in die antikoloniale Bewegung verwickelt wird.

Sanyal schafft es, diese historische und moderne Ebene so geschickt zu verbinden, dass man beim Lesen richtig in den Dialog zwischen damals und heute eintaucht. Besonders spannend sind dabei Wortneuschöpfungen wie „transchronisch“ und „chronophob“ – Begriffe, die genau den Kern dessen treffen, wie die Zeit und unser Verhältnis zu Geschichte hier verhandelt werden.

Doch Antichristie ist nicht nur ein Roman über große historische Themen. Durga selbst ist eine facettenreiche Protagonistin, die nicht nur mit den politischen Fragen ihrer Zeit, sondern auch mit persönlichen Konflikten kämpft. Themen wie familiäre Traumata, die Suche nach der eigenen Identität und das späte Erwachsenwerden sind immer präsent und verleihen der Geschichte eine tiefe emotionale Dimension.

Für alle, die sich für Kolonialgeschichte, Identitätspolitik und moderne Diskurse interessieren – und die dabei auch noch Spaß an einer außergewöhnlichen Erzählstruktur haben – ist Antichristie ein echtes Must-Read.