Dann einmal Cabrio, oder?

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r.e.r. Avatar

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"Dann einmal Cabrio, oder?", lautet die knappe Frage des Einsatzleiters der Feuerwehr an Anita. Die Notärztin des Urban Krankenhauses in Berlin wurde gerade mitten in eine heißen Sommernacht zu einem Autounfall gerufen. "Sie näherten sich einem dunkelblauen BMW, der derart deformiert war, als wollte er sich jeden Moment in etwas anderes verwandeln. Die Motorhaube
war geradezu um den eisernen Pfeiler herumgeflossen. Dass es sich überhaupt um eine Motorhaube handelte, musste man wissen, sehen konnte man es nicht." In "der Blaulicht Disco" aus blinkenden Einsatzfahrzeugen muss Anita blitzschnell entscheiden. Der Fahrer, ein Junge von kaum zwanzig Jahren, spürt seine Beine nicht mehr. Zunächst wird daher die "Cabrio" Variante durchgeführt. Das Autodach soll entfernt werden um den Jungen, dessen Beine sich zwischen Gaspedal und Bremse verklemmt haben, ohne Wirbelsäulendrehung aus dem Fahrzeug zu ziehen. Als die Feuerwehr noch dabei ist, das Autodach zu entfernen, erkennt Anita ihren Fehler: "Der menschliche Körper konnte meisterhaft auf Sparflamme schalten. Verlor er Blut, wurden unwichtige Stellen weniger versorgt, Organe heruntergefahren, Gefäße zusammengezogen, es wurde schneller gepumpt. Besonders junge Leute konnten so über lange Zeit eine innere Blutung ausgleichen. Der Nachteil dieser Qualität war, dass es, wenn alles das nichts mehr half, sehr schnell vorbeiging. Anita sprang auf, warf die Decke fort und schrie: »Stop!«" Mit ihrem beherzten Ruf, läutet die Notärztin die tatsächliche Rettung ein und als Leser hat man gerade die fesselnden ersten zwanzig Seiten des Romans von Kristof Magnusson verschlungen, als wäre es nur eine gewesen.

Von Kristof Magnusson habe ich bisher nur "Das war ich nicht" gelesen. Zu diesem Buch schrieb ich in meiner Rezension im Mai 2010: "Es gibt wenige Autoren, die es schaffen mich beim Lesen nah an den Rand des Herzinfarktes zu bringen. Eigentlich fällt mir nur Ian McEwan ein, dessen Figuren ich durch die Seiten am liebsten zurufen möchte: Tu das nicht! Siehst du nicht wohin das führt? Nun habe ich einen weiteren Kandidaten entdeckt: Kristof Magnusson. Auch hier ließ mir das Entsetzen den Atem stocken, während ich den hochriskanten und ins Verderben führenden Transaktionen Jaspers zu folgen versuchte. Gleichzeitig kamen meine Augen kaum meinem japsenden Verstand hinterher, der sich den Inhalt von “Das war ich nicht“ in großer Eile einverleiben wollte."

Die Leseprobe hat mir bewiesen, dass Magnusson genau da anknüpft, wo er beim Schreiben von "Das war ich nicht" aufgehört hat. Dazu kommt, das ich die Thematik spannend finde. In "Das war ich nicht" gelang es Magnusson auf unterhaltsame Weise die internationale Finanzkrise zu erklären. Hier geht es um den Alltag einer Notärztin, die nicht nur im Beruf unter Hochspannung Leben retten muss. Eine vielversprechende Mischung!