Keine Halbgöttin in Weiß

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Das Topos des Arztes – es ist nicht unterzukriegen. Von gruseligen Vor-Sintflut-Serien wie der „Schwarzwaldklinik“ bis heute zieht sich der Halbgott in Weiß durch die Pop-Kultur. Der Übersetzer und Autor Kirstof Magnusson hat sich nun für seinen zweiten Roman nach dem großartigen „Das war ich nicht“ nun ebenfalls einen „Arztroman“ ausgedacht.
Seine Heldin heißt Anita Cornelius und lebt und arbeitet in Berlin im Urban-Krankhaus. Zusammen mit ihrem Rettungssanitäter Maik versucht sie die Bevölkerung Berlins vor dem Ersticken, toxischen Schocks und ähnlichen Unglücken zu bewahren. Dies gelingt ihr auch ausnehmend gut und professionell, im Privatleben hingegen sieht es desaströs aus.
In Scheidung lebend mit einem halbwüchsigen Sohn versucht sie, zwischen Eifersucht, dem Wunsch nach Nähe und aufkeimenden Gefühlen wenigstens ein wenig Ordnung ins Chaos zu bringen. Dies mag ihr allerdings kaum gelingen – zur Freude des Lesers.

Kristof Magnusson begeht nicht den Fehler, einen Abklatsch der unzähligen Arztserien – von Emergency Room über Greys' Anatomy bis hin zum deutschen Doctor's Diary - anzufertigen. Stattdessen entscheidet er sich bewusst für eine realistische Zeichnung des Arztberufs und des Lebens.
Sein Rettungsärztin Anita Cornelius ist eben keine Halbgöttin in Weiß, sondern eine Frau mit viel Grau. Diese Ambivalenz macht den Reiz des „Arztromans“ aus. Man muss Kristof Magnusson auch Respekt zollen, mit welcher Akribie er sich in die Welt der Ärzte und Rettungssanitäter eingearbeitet hat. Medizinische Eingriffe werden detailliert geschildert und nach der Lektüre hat man das Gefühl, selbst eine halbe Famulatur hinter sich zu haben. Dies möchte ich nicht kritisch verstanden wissen, im Gegenteil, dieser Realismus tut dem „Arztroman“ sehr gut.
Geschickt schafft es Magnusson, dem Arztberuf in diesem Beruf den Nimbus zu nehmen und zu zeigen, dass das Bild der Halbgötter in Weiß kein Richtiges ist. Selten ist das Leben so interessant, wie wenn Kirstof Magnusson es schildert!