Zu oberflächlich und eher peinlich als witzig

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mrs-lucky Avatar

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Der Titel „Arztroman“ klingt im ersten Moment nach Groschenroman oder einer dieser trivialen, klischeehaften Vorabendserien im Fernsehen. Damit hat das Buch zum Glück nichts gemein, trotz eines vielversprechenden Beginns hat mich der Roman letztendlich jedoch enttäuscht. Der Klappentext verspricht: „Vor allem aber erzählt er witzig und unterhaltend aus dem Leben einer Frau Anfang vierzig, die mehr will als Routine und »schöner Wohnen«. “ Meinen Humor hat der Autor leider nicht getroffen, Anita habe ich im Verlauf des Lesens immer mehr als nervig und peinlich empfunden.

Anita und ihr Ex-Mann sind beide Ärzte, nach 15 Jahren haben sie sich auseinandergelebt und einvernehmlich getrennt. Anita hat auch kein Problem damit, dass der gemeinsame Sohn Lukas bei seinem Vater und dessen Freundin Heidi lebt. Zumindest redet Anita sich das ein, in der Realität ist ihr Leben mehr aus den Fugen geraten, als sie es sich selbst gegenüber eingestehen mag. Sie lebt nur noch für ihre Arbeit, hat keine Hobbys und keinen Kontakt zu Freunden. Das passt wenig zu ihrer Aussage, die Ehe sei unter anderem daran gescheitert, dass sie die Aktive ist und ihr Ex Adrian lieber zuhause bleiben und seine Ruhe haben wollte. Wo sind ihre Freunde jetzt? Außer ihrem Kollegen Maik und einer Zufallsbekanntschaft gibt es keine Menschen in ihrem Leben, denen sie sich anvertrauen kann. Auch Anitas Verhältnis zu Lukas reißt immer weiter ab, sie hat kaum noch Zugang zu seinem Leben. Ich als Mutter konnte es absolut nicht nachvollziehen, dass sie ihre Sorgerechtsansprüche für Lukas derart kampflos aufgibt. Lukas ist mit 14 mitten in der Pubertät. Das ist zwar eine Phase der Abnabelung, aber gerade in diesem Alter ist der Rückhalt bei den Eltern enorm wichtig.

Der Roman liest sich zwar flüssig, die Notarzteinsätze bieten immer wieder Abwechslung und spannende Momente, insgesamt hat mich jedoch die Oberflächlichkeit insbesondere Anitas genervt. Sie sieht sich als Gutmensch, und als Notärztin macht sie sicher einen wichtigen Job. Bei vielen Einsätzen wird jedoch deutlich, dass sie nur akute Symptome lindern kann, wirkliche Hilfe kann sie nicht leisten. Auch ihre Beziehung zu Rio ist von Oberflächlichkeit geprägt, Anita kennt weder sein Alter noch weiß sie genaueres über seine Vergangenheit. Mit ihren unüberlegten Äußerungen und Aktionen schlägt Anita nicht nur ihren Mitmenschen sondern auch mir als Leser vor den Kopf.

Mit dem Ende versucht der Autor noch etwas gerade zu biegen, der Tenor des letzten Kapitels passt in meinen Augen nicht zur übrigen Geschichte, Anitas Wandlung wirkt nicht schlüssig.