Atlas der menschlichen Unzulänglichkeiten

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Im "Atlas der Unordnung" hat Bruno Tertrais, seines Zeichens Politikwissenschaftler, zusammen mit der Kartografin Delphine Papin eine reich illustrierte und in die Tiefe gehende Auseinandersetzung mit dem Thema "Grenzen" erarbeitet. Grenzen in aller Welt, die untrennbar mit philosophischen, geschichtlichen, religiösen und politischen Aspekten verknüpft sind.

Das quadratische Buchformat, das Layout bzw. die mannigfaltigen anschaulichen kartografischen Darstellungen, die Vielfalt in der Darstellungsweise der Grafiken und insbesondere der sensiblen Farbwahl sind geprägt von einer professionellen und außerordentlich hohen Qualität.

Toll, der Atlas ist ein richtiges Nachschlagewerk in der Hinsicht, dass für das Verständnis nicht chronologisch gelesen werden muß, sondern die Reihenfolge je nach Interesse frei gewählt werden kann.
So habe ich zum Beispiel aus aktuellem Anlass mit Kapital 56 auf S. 158 ( innerhalb von Teil V - Umstrittenen Grenzen ) begonnen : Ukraine gegen Moskau - Eine explosive Grenze. Hieran sieht man, wie aktuell und brisant das Thema Grenzen ist und Kriege, wie der derzeitig stattfindende, nicht von heute auf morgen entstehen. Die französische Originalausgabe des Atlasses ist übrigens aus dem Jahre 2016 und erschien 2021 als Neuausgabe.

Beim Durcharbeiten des Atlasses wird Weltgeschichte auf wunderbare Weise lebendig und schnell werden die politischen Dimensionen bewusst. Ja, durcharbeiten, mal eben schnell überfliegen geht nicht.
Wir erfahren viel über Grenzen, die traditionell umkämpft sind, aber auch über immer wieder neu entstandene Grenzen. Es wird unterschieden zwischen Grenzen, die durch Meere sowie entlang von Strömen und Flüssen verlaufen und solche, die ebenfalls unsichtbar über Land oder durch Mauern, Barrieren und Zäune deutlich sichtbar sind.

Am meisten Spaß hat mir Teil IV gemacht, in dem kuriose Grenzen und Sonderfälle aufgezeigt werden. Beispielsweise über belgische Enklaven in den Niederlanden. Manchmal hing die territoriale Zugehörigkeit davon ab, auf welcher Seite sich die Haustür befand. So wurden in manchen Grenzstraßen in Kneipen zur Sperrstunde die Tische umgestellt, um ins Nachbarland zu wechseln, weil sie dort länger öffnen durften.

Alles in allem ein Werk, das aus philosophischer Sicht aufzeigt, wie unzulänglich wir Menschen sind in unserem Miteinander und somit wie sehr unsere Welt Veränderungen unterworfen ist und immer sein wird.
Dieses Buch werde ich von nun an regelmäßig zur Hand nehmen.