Spannend und komplex

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hundertmorgenwald Avatar

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Was sind Grenzen und wie wurden sie festgelegt?
Die Antwort erscheint erstmal einfach, doch es ist ein komplexes Thema, welches Delphine Papin und Bruno Tertrais in diesem Buch angehen.

Der Westfälische Friede 1648 schrieb die ersten Landesgrenzen fest und zwischen Russland und der Türkei wurde schließlich die moderne Staatsgrenze erfunden. So konnte man Epidemien eingrenzen, aber auch verhindern, dass sich jemand seinen Steuern oder der Wehrpflicht entzog.

Die meisten Grenzen entstanden erst nach 1800.
„Von Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1914 wurde im Zuge der Staatenbildung die ganze Welt eingegrenzt. Mehr als die Hälfte aller Landgrenzen stammt aus den Jahren 1875 bis 1924. Fast zeitgleich schlossen die USA (1890) und Russland (1860) die „Eroberung“ ihrer riesigen Landflächen ab.“

Es gibt „natürliche“ Grenzen (Flüsse und Gebirge) und „künstliche“ Grenzen.
„Natürliche“ Grenzen können dabei genauso komplex, unfair und umstritten sein, wie „künstliche“ Grenzen gerecht und friedliche sein können.

Die französische Originalausgabe erschien 2021. 2020 gab es 311 internationale Landesgrenzen, die zwei Staaten trennen.

In 60 Schaubildern und 5. Kapiteln erläutern Delphine Papin und Bruno Tertrais verschiedene Grenzthematiken.

Kapitel 1: Grenzen als Vermächtnisse
Hier wird z.B. die wachsende Zahl der Grenzen von vor 1800 bis heute aufgezeigt und die verschiedenen Ansichten von Kulturgrenzen.

Kapitel 2: Meere und Grenzen
Wie wird eine Grenze im Meer und im Fluss gezogen? Wo fängt das Hoheitsgebiet an?
Hier geht es vor allem auch um Bodenschätze, Erdölvorkommen und Fischerei. Jede Menge Stoff für Konflikte, in ganz unterschiedlichen Regionen der Erde. Da kriselt es sogar zwischen den USA und Kanada.

Kapitel 3: Mauern und Migration
Welche Mauermodelle gibt es?
Es gibt immer mehr Mauern. 2015 hatte Europa schon fast mehr physische Barrieren an seinen Grenzen als zur Zeit des Kalten Krieges. Grenzen werden zum Friedhof und Pässe und Visum zum Schlüssel. Die Berliner Mauer war da mit 3,6 m im Vergleich zu anderen Mauern noch klein.

Kapitel 4: Spezielle Grenzen
Exterritoriale Liegenschaften, in denen das Gastgeberland keine Hoheitsrechte hat, Enklaven, Mikroländer und absurde Grenzverläufe. In diesem Kapitel finden sich jede Menge Kuriositäten. Z.B. ein Bauernhof in Australien, der zu Groß-Britannien gehört. Oder Belgien hat 22 kleine Enklaven in den Niederlanden. Und in dieser Enklave befinden sich wiederum Enklaven der Niederländer.

Kapitel 5: Umstrittene Grenzen
Fast alle Länder der Erde liegen im Streit um ihre Grenzen. D.h. nicht zwangsläufig, dass es auch Krieg gibt. Auch in Europa gibt es 15 Unstimmigkeiten, darunter auch die Frage, wo am Bodensee die Grenze zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz verläuft. Neben den bekannten „heißen“ Grenzkonflikten versuchen auch Großmächte ihre Grenzen wieder auszuweiten und das ist nicht Putin alleine.



Meine Meinung:

Ich finde das Buch sehr interessant. Ich hätte nicht gedacht, dass es so viel über Grenzen zu sagen gibt. All die Fragen und unterschiedlichen Themen waren sehr spannend. Ganz besonders mochte ich die geschichtlichen Hintergründe und die Erklärungen, wie Grenzen festgelegt werden. Bisher habe ich Grenzen als eher etwas Trennendes erlebt und empfinde das nun anders. Da wo Grenzen klar sind und man sich einig ist, herrscht Ordnung, um den Titel aufzugreifen.
„Eine Grenze bedeutet unter anderem, dass Frieden geschlossen wurde.“ Michel Foucher

Allerdings ist „Der Atlas der Unordnung“ nicht ganz so leicht zu lesen. Obwohl ich denke, dass ich mich in Geografie ganz gut auskenne, musste ich so einige Mal googeln, um etwas zuordnen zu können. Hier hätte ich mir auf jeden Fall mehr Erklärungen gewünscht und auch mehr Hintergrundinformationen zu einzelnen Konflikten.

Die Karten sind komplex und man muss sich Zeit nehmen, um sie in ihrer Vielschichtigkeit zu verstehen.