Just another biography

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kalligraphin Avatar

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„Biografie über mich? Was sollte ich schon Interessantes schreiben? In meinem Leben gab es keine Eklats, keine Skandale. Ich habe viel gearbeitet, zwei Söhne großgezogen und mit fünfzig die Liebe meines Lebens gefunden. Das ist alles sehr unspektakulär. Es lohnt sich wirklich nicht, ein Buch darüber zu schreiben.“ (98%)

Diese den Roman abschließenden Worte sagt Audrey zu ihrem Lebensgefährten Robert Wolders.
Man möchte dem natürlich sofort widersprechen, denn natürlich ist Audrey Hepburns Leben spannend und es wert, ein Buch darüber zu schreiben! Entsprechend habe ich mich sehr gefreut, dass Juliana Weinberg genau dies gemacht hat.

Als langjähriger Fan von Audrey bin ich mit ihrer Biografie weitestgehend vertraut. Ich habe einige Sachbuch-Biografien über ihr Leben gelesen (u.a. das Buch ihres Sohnes Sean Hepburn Ferrer: „Audrey Hepburn. Melancholie und Grazie. Erinnerungen eines Sohnes.“). Doch mit „Audrey Hepburn und der Glanz der Sterne“ bekam ich erstmals eine fiktionalisierte Biografie über sie zu lesen.

Das Buch bleibt sehr nah an den realen Ereignissen in Hepburns Leben und geht künstlerisch kaum über eine Biografie hinaus. Dadurch ist es leider eher langweilig und entwickelt keine besondere Erzählsprache. Sprachlich gerät das Buch sogar teilweise in einen völlig verqueren Tonfall: Da wird es dann plötzlich ganz vorsichtig sachlich und dabei doch kitschig.

„Audrey genoss Mels Zärtlichkeiten, zudem versetzte sie die Hoffnung, dass vielleicht ein Ei befruchtet und sich einnisten würde, in Hochstimmung.“ (45%)

„Abrupt nahm sie die Beine herunter und setzte sich im Schneidersitz neben ihren Mann. »Ist mein Samen schon tief genug eingedrungen?«, zog Mel sie auf.“ (46%)

Auch bleiben die Figuren so völlig charakterlos. Ja, Audrey soll als besonders sanftmütig und bescheiden rüber kommen. Mel Ferrer dagegen ist der gebieterische Tyrann und unsympathische Ehegatte.

Aber die Darstellungsweise ist sehr plump und banal. Es scheint fast ein wenig, als hätte die Autorin sich nicht so recht getraut, über Tatsachen und Konsens hinaus eine Geschichte und Charaktere zu entwickeln. Das ist natürlich auch ein gewagtes Kunststück - man könnte damit Leser verprellen oder Audrey Hepburn unrecht tun. Aber es ist doch auch genau das, was ich von einem Roman erwarte!

Deshalb war ich eher enttäuscht von diesem Buch.
Allerdings gibt es auch ein paar Lichtblicke. Denn ich glaube, dass Leser, denen die Biografie Audrey Hepburn nicht so vertraut ist wie mir, hiermit einen schönen Überblick bekommen.

Mir persönlich haben auch die Einflechtungen über Mode und Audreys freundschaftliches Verhältnis zur Hubert de Givenchy sehr gut gefallen. Viele ihrer Kleider hatte ich beim Lesen der entsprechenden Szene direkt wieder vor Augen. Auch habe ich über die durch das Buch ausgelöste erneute Recherche herausgefunden, dass Givenchy 2018 das Audrey-Parfüm L’interdit neu aufgelegt hat!

Und manche Ereignisse in Audreys Leben werden in dem Buch so deutlich hervorgehoben, dass auch ich sie nun viel bewusster im Gedächtnis habe - z.B. hatte ich ihren ersten Verlobten James Hanson überhaupt nicht mehr in Erinnerung.

Mein Fazit ist daher leicht widersprüchlich: Ich bin froh, dass ein Roman über Audreys Leben erschienen ist. Und ich würde dieses Buch auch allen Fans und Interessierten nahelegen. Allerdings hätte ich auch viel mehr von einem guten Roman erwartet.

„I was born with an enormous need for affection, and a terrible need to give it.“ (Audrey Hepburn)