Lyrische Schwermut

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
sapere_aude Avatar

Von

Little Dog, der Sohn vietnamesischer Einwanderer in die USA, schreibt einen poetischen Brief an seine Mutter, um endlich zu sagen, was er über Jahre nicht aussprechen konnte. Sie wird diesen Brief nicht lesen können, da sie Analphabetin ist, geflohen aus einem Land im Krieg in das Land des Kriegsgegners, das die Heimat ihres Sohnes geworden ist. Seine Mutter ebnet ihm diesen Weg bis hin zu einem College-Abschluss mit harter Arbeit, Liebe, aber auch Brutalität und Schlägen. Als Little Dog älter wird, verliebt er sich - in einen jungen Mann, Trevor, mit dem er eine tiefe Freundschaft und Intimität erlebt.
"Auf Erden sind wir kurz grandios" ist aber nicht nur deshalb so spannend, weil sie eine Einwanderergeschichte aus der Innenansicht erzählt; schildert, was es bedeutet, wenn Familien in einem fremden Land neu anfangen und ihren Kindern eine andere, vielleicht bessere Zukunft erarbeiten wollen, dabei aber erleben müssen, dass dies mit einer Assimilation an die fremde Kultur einhergeht und bei den Kindern nicht zuletzt dadurch zu einer Zerrissenheit führt. Vielmehr ist der Roman deshalb so außergewöhnlich (und auch in der deutschen Übersetzung gelungen), weil seine Sprache so poetisch und von Lyrik durchzogen ist. Ein Wohlfühlroman, vor diesem Trugschluss sei gewarnt, ist "Auf Erden sind wir kurz grandios" aber nicht.