Ein sehr interessantes Buch, das auf drei Ebenen spielt

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kleine hexe Avatar

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Ein sehr interessantes Buch, das auf drei Ebenen spielt:
Erstens: Yada, ein junges Mädchen, das auf einer künstlichen Insel lebt. Ihr Vater ist ein sektiererischer Visionär, will alles und jeden seiner Idee unterordnen. Sich selbst aber ausgenommen. Er isst morgens und mittags allein, lauter frische Leckerbissen während das gemeine Volk, seine Tochter inklusive, einheitlichen grünen Vitaminbrei essen müssen. Zudem gönnt sich der Vater Auslandsreisen, obwohl er Yada immer erklärt, die Außenwelt ist zerstört, es gäbe sie nicht mehr, Doch die Tochter beginnt zu rebellieren. Dem Vater schwebt eine perfekte Gesellschaft auf dem Meer vor, alle Menschen streben nach Perfektion, Gleichheit, Freiheit. Aber es ist nur die vom Vater akzeptierte Freiheit, alle Andersdenkende werden entfernt, Yada wächst isoliert auf, ohne Kontakt zu anderen Kindern, die Erwachsenen um sie herum gängeln oder meiden sie. Irgendwann merkt Yada,
wie sehr ihr Vater und seine Clique sie betrogen und belogen haben, sie mit Medikamenten gefügig gemacht haben und sie flieht von der Insel.
Zweitens: Helena, freie, ungebundene Künstlerin, Malerin, Bloggerin, aber alles ohne feste Überzeugung. Sie tut dies, weil sie es kann, nicht weil es ihr ein Bedürfnis ist. Sie hat eine riesige Fangemeinde, Follower und Bewunderer. Aber ihr liegt nichts an ihnen. Sie versteht auch nicht den Rummel, der um sie gemacht wird. Sie will einfach frei und ungebunden sein.
Drittens: Kapitel die “Archiv” betitelt sind und über Sonderwirtschaftszonen, über
Unternehmungen diverser Visionäre oder Betrüger berichten, die versucht haben entweder eigene Mini-Staaten zu gründen, oder Menschen um ihre Ersparnisse zu bringen, mit angeblichen Inseln oder Ländern in denen sie frei und ungebunden leben könnten.
Yada und Helena werden sich begegnen, Yadas Vater hat nun keine Macht mehr über sie und kann sie nicht zwingen, zu ihm zurück zu kehren, was für ihn persönlich katastrophale Folgen haben wird. Aber Yada ist endlich frei. Sie wird nun in einem alten geschenkten VW Golf ihre Freiheit genießen, die sie während ihrer Kindheit und Jugend nie hatte.
Während die “Archiv” betitelten Kapitel trocken und emotionslos über die missglückten Versuche selbständige Staaten zu bilden berichten, sind die anderen Kapitel, die über Yada, Helena oder die anderen agierenden Personen berichten, spannend, ja sogar dramatisch geschrieben, man lese nur das Kapitel über Yadas Flucht.
Das Buch ist in Abschnitte unterteilt, die die Namen der englischen grammatikalischen Zeiten im Indikativ Aktiv tragen: Future Simple, Future Progressive, Past Perfect, Present Progressive und Future Perfect. Weshalb hat die Autorin wohl das Present Simple ausgelassen?
Theresia Enzensberger hat ein faszinierendes Buch geschrieben, angesiedelt zwischen Utopie und Realismus, zwischen Fantasie und Wirklichkeit.