Fesselnde und erschreckend realistische Zukunftsvision

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alina_liest07 Avatar

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Eine vor der Ostsee schwimmende, mehr oder weniger autarke Stadt und Sonderwirtschaftszone ist das Zuhause von Yada, Tochter des Gründers eben jener Stadt. An ihre vor Jahren verstorbene Mutter hat sie kaum noch Erinnerungen und das Leben in der schwimmenden Stadt hat schon lange an Glanz verloren. Gefangen in den Routinen und Kontrollen ihres Lebens, beginnt die 17-Jährige Yada auf eigene Faust Nachforschungen zu dem Projekt ihres Vaters anzustellen. Gleichzeitig begleiten wir Helena, eine auf dem Festland lebende Künstlerin, die dort mit ihren ganz eigenen Probleme zu kämpfen hat. Wie hängt das Leben dieser Frauen zusammen?

Theresia Enzensberger zeichnet in „Auf See“ ein spannendes und sehr realistisches Zukunftsszenario. Erzählt wird abwechselnd aus Yada’s und Helena’s Perspektive, wodurch sich auch die Unterschiede zwischen den beiden Lebenswelten wunderbar herausstellen. Gespickt wird die Erzählung mit Archiv Einträgen, die uns helfen Teile der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Entwicklungen und Hintergründe besser nachzuvollziehen.

Nicht jeder Beweggrund oder jede Entscheidung der Protagonistinnen wird bis aufs letzte Detail erklärt oder erschien mir immer sofort nachvollziehbar - und dennoch hat mich „Auf See“ in kürzester Zeit in seinen Bann gezogen und begeistert. Enzensberger schafft es die Spannung fortwährend hochzuhalten und ihre ganz eigene Mischung auf Dystopie und Gesellschaftskritik zu finden. Dabei bedient sie sich neoliberaler und libertäre Theorien und Strukturen ebenso wie Utopieerzählungen, Sekten und ihren gefährlichen Dynamiken und zeichnet aus ihnen eine glaubhafte, wenn auch wenig erstrebenswerte Zukunftsvision.
Die Welt in „Auf See“ ist eine andere wie heute und dennoch scheint sie schon übermorgen möglich.

Für mich war „Auf See“ sowohl fesselnde Unterhaltung, die ich in einem Rutsch verschlungen habe, als auch eine wichtige Abrechnung mit libertäre Theorien, die auch in der heutigen (Tech-) Start Up Szene leider wieder großen Anklang finden. Ein Buch was vor allem im Nachgang in mir weiterarbeitet hat - ganz klare Leseempfehlung von mir!