Harry Potter und die Buchvampire

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sago Avatar

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Gäbe es Vampire, die Bücher aussaugen statt Menschen, könnte Harry Potter nach einer Vampirattacke sich so lesen wie dieses Buch: als ein Schatten seiner selbst. Wenn die Parallelen so groß sind wie hier, muss man sich natürlich am Original messen lassen. Zwischen Harry Potter und Simon Snow liegen leider Welten.
Der Protagonist ist nicht nur in beiden Büchern ein Zauberlehrling mit überdurchschnittlichen Kräften, aber ohne erkennbare Eltern. Wie über Harry gibt es über Simon eine Prophezeizung. Statt Hogwarts heißt das Zauberinternat hier Watford. Anstelle des sprechenden Hutes werden die Schüler durch einen Schmelzkessel einander zugeteilt. Statt des Magiers Dumbledore leitet ein anderer Magier die Schule; er mutet an wie eine Mischung aus Dumbledore und Snape. Für den, dessen Namen nicht genannt werden darf, gibt es den hinterhältigen Schatten, der Löcher ohne Magie entstehen lässt. Diese Löcher muten an wie ein Kreuzung aus Michael Endes Nichts in der Unendlichen Geschichte und der Sogwirkung von Askabans Dementoren aus Harry Potter. Wie Hogwarts ist Watford von einem gefährlichen Zauberwald umgeben. Anstelle vom Wildhüter Hagrid gibt es hier die Ziegenhirtin Ebb. Hermine heißt hier Penelope, ist aber viel viel weniger sympathisch. Überhaupt ist das die größte Schwäche des Buches: Keiner der Charaktere vermochte es, überhaupt Sympathie zu erwecken. Simon selbst bleibt so blaß, dass nicht einmal seine Freundin Agatha wirklich mit ihm zusammen sein will. Die Romanze mit Vampir Bazz kam für mich von Simons Seite aus dann so unvermittelt, dass es schon befremdlich wirkte. Die Geschichte wird in kurzen Reprisen aus Sicht von Simon, Penelope und Agatha erzählt, was den Lesefluss empfindlich stört. Teilweise wird nur für einen Satz die Perspektive gewechselt, um das Offensichtliche zu erklären. Insgesamt ist der Plot sehr dialoglastig. Diese Dialoge erreichten für mich an dieser Stelle ihren Tiefpunkt:
"Ich finde Aimée niedlich", sage ich.
"Du findest Aimée niedlich", sagt Penny.
"Aimée ist niedlich." Ich zucke die Schultern."
Bis Seite 400 habe ich mich regelrecht durchgequält, dann kam etwas Spannung auf. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich das fast überlesen.
Ich muss zugeben, den dritten Stern vergebe ich nur, weil ich "Fangirl" nicht gelesen habe und hoffe, dass das Buch in Kombination mit "Fangirl" sinnvoller erscheint. Schließlich handelt es sich bei den Figuren in "Simon Snow" um Figuren, zu denen die Protagonistin aus "Fangirl" Fanfiction schreibt.
Lediglich die Art der Zaubersprüche hat mich hier amüsiert. Die Idee, dass Zitate aus Filmen, Büchern oder dem Volksmund eine besondere Kraft entfalten, hat mir gut gefallen. Dennoch bleibt die Autorin um viele Längen hinter dem Einfallsreichtum einer J.K. Rowling zurück. Und so wirkt Simon Snow leider nur wie blutleere Harry Potter-Fanfiction.