Jugendliteratur getarnt als Fantasyroman

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lenaliestzuviel Avatar

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"Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow" ist eine Geistergeschichte, eine Liebesgeschichte und ein Mysterium - so wird das Buch auf der Rückseite des englischen Originals beworben und nichts könnte es besser treffen. Das Buch spielt in einer verborgenen Welt mitten unter uns (ein bisschen wie bei Harry Potter), allerdings sind die Orte, an denen sich die Zauberer und andere Wesen aufhalten für alle gut sichtbar und das Zauberinternat "The Watford School", welches im Mittelpunkt der Geschichte steht, wirkt einfach nur wie eine Eliteschule.


Worum geht es?


Ein bisschen habe ich ja schon erwähnt: Großteile der Geschichte spielen in einem Zauberinternat in der Nähe von Watford. Dieses ist aufgebaut wie eine ummauerte Stadt samt umliegenden Feldern und Wiesen sowie einem waschechten Burggraben und einer Zugbrücke. In dieser Schule werden die Sprößlinge aller Zaubererfamilien großgezogen und da es der einzige Ort ist, an dem die Zauberer zusammen leben, tun sich natürlich alle in Pärchen zusammen. Hauptcharakter ist Simon Snow - der vermutlich mächtigste Zauberer aller Zeiten, der sich in vielerlei Hinsicht von allen anderen unterscheidet. So kann er nur schlecht mit seinen magischen Kräften umgehen, er ist in einem Waisenhaus aufgewachsen und wurde erst durch den Direktor der Watford Schule in die Zauberergemeinschaft eingeführt. Zusammen mit seiner besten Freundin Penelope Bunce und seiner festen Freundin Agatha Wellbeloved hat er sich schon durch so einiges durchgeschlagen, denn mit der Rolle als Auserwählter kommen natürlich auch einige Herausforderungen. Die Größte von Ihnen ist jedoch "der hinterhältige Schatten" - ein Wesen, das so aussieht wie Simon als dieser zum ersten Mal nach Watford kam und das aus den verschiedensten Gegenden Großbritanniens die Magie entfernt, so dass Zauber dort nicht mehr funktionieren. Simons Aufgabe ist es, den Schatten zu besiegen, allerdings weiß er nicht, wie er das anstellen soll.


Das Buch selbst spielt während Simons Abschlussjahr an der Zauberschule. Nachdem er auf dem Hinweg bereits von einem Kobold gekidnappt wurde, hat sein Jahr nicht gerade toll angefangen und dann taucht auch noch sein Mitbewohner und Erzfeind Baz (kurz für Tyrannus Basilton Grimm-Pitch) nicht auf. Mit Agatha läuft es nicht so gut, weil Simon sie und Baz vor den Sommerferien zusammen im Wald entdeckt hatte und der Direktor der Schule will ihn am Liebsten ganz aus Watford wegbringen, weil er dort angeblich nicht mehr sicher ist. Doch Simon will sich sein letztes Jahr nicht nehmen lassen und so bleibt er in Watford, bis ihm eines Tages ein Geist begegenet - der Geist von Baz Mutter. Und sie stellt ihn vor eine nicht gerade leichte Aufgabe: Baz soll ihren Mörder finden. Das Problem ist nur, dass niemand weiß, wo Baz steckt.


Graphische und rhetorische Gestaltung


Das Cover der deutschen Ausgabe ist, wie ihr oben sehen könnt, unendlich schön geworden. (Womit ich ehrlich gesagt nicht gerechnet hätte. Zwar kommt es nicht an das aktuelle englische Cover heran, das Cover der englischen Erstausgabe übertrifft es jedoch wesentlich.) Besonders gefallen haben mir die Bezüge zu "Fangirl" und den ursprünglichen Simon Snow Roman von Gemma T. Leslie, auch wenn es die gar nicht wirklich gibt. Die sechs weißen Hasen auf der Lehne des Throns sind aus dem sechsten Simon Snow Buch gehüpft, die Wasserwölfe stammen aus Baz Erzählungen und wer "Fangirl" gelesen hat weiß, dass sie ein ähnliches Poster besitzt - nur dass auf diesem Poster Baz anstelle von Simon auf dem Thron sitzt. Die Watford Uniform und Simons Aussehen sind wunderbar getroffen, auch das Schwert sieht sehr cool aus und der Hintergrund - ein Sternenhimmel - ruft wunderschöne Erinnerungen wach, nachdem man das Buch gelesen hat. (Seite 261 für alle, die das Buch bereits besitzen, in der Mitte des 48. Kapitels.)


Der Schreibstil ist typisch Rowell - unterhaltsam, oft sehr lustig aber auch emotional und viel auf Unterhaltungen basiert. Die Charaktere reden so, wie ihnen der Mund gewachsen ist - Fluchen, Schimpfen und sprechen das aus, was sie denken. Wer schon einmal eins von Rainbow Rowells Büchern gelesen hat, der wird wissen, dass man sich bereits nach den ersten paar Seiten so fühlt, als ob man alles zusammen mit den Charakteren erleben würde.


Rhetorisch macht das Buch so einiges her, doch um mehr dazu sagen zu können ist eine Erklärung der magischen Welt von Simon Snow notwendig: Dort gibt es nämlich nicht festgelegte Zaubersprüche. Stattdessen werden Redewendungen und häufig gesagte Sätze zu Zaubersprüchen und können, wenn sie nicht mehr oft verwendet werden, auch ihre magische Kraft verlieren. Solche Zaubersprüche können natürlich auch Liedtexte und Gedichte sein, je nachdem, wie beliebt sie sind und so wird es keinen Wundern, dass man sich manchmal nicht ganz sicher ist, ob gerade gezaubert wurde oder nicht. Wenn allerdings ganze Gedichte in eine Beschwörungsformel umgewandelt werden, ist das absolut beeindruckend und lässt einen hinterfragen, wozu Worte noch fähig sein können. (Meine absolute Lieblingsszene dazu beginnt auf Seite 238 im 44. Kapitel.)


Die Geschichte ist in der dritten Person geschrieben, wobei die Sicht zwischen Simon, Baz, Penelope, Agatha und Lucy wechselt. (Wer Letztere ist erfahrt ihr erst während des Buches.) Der Fokus liegt jedoch eindeutig auf Simons Perspektive.


Meine Meinung


Vorwissen kann man dann mit einbringen, wenn man bereits Fangirl gelesen hat. Dort werden an einigen Stellen die "ursprünglichen" Simon Snow Bücher und Filme erwähnt und man kann auch einige Auszüge lesen. Da "Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow" jedoch Rainbow Rowells Fanfiction-Version der Simon Snow Bücher ist, gibt es nicht all zu viele Parallelen, abgesehen von den meisten Charakteren. Die Handlungsentwicklung kommt vermutlich auch für Leser von "Fangirl" vollkommen unerwartet, wer darauf gehofft hat, hier eines der "ursprünglichen" Simon Snow Bücher zu lesen, ist an der falschen Adresse.


Für "Neueinsteiger", die bisher noch keines von Rainbow Rowells Büchern gelesen haben, ist "Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow" hervorragend geeignet - es setzt kein Vorwissen voraus, wer jedoch Interesse an der Fandomkultur um Simon Snow hat, dem empfehle ich dringend, "Fangirl" zu lesen. Für Harry Potter Fans kann es zu Beginn etwas wie ein Abklatsch der Bücher von J. K. Rowling wirken, wer sich jedoch auf das Konzept einlässt, wird schon bald feststellen, dass im Verlauf der Geschichte die Parallelen fast ganz verschwinden.


Fazit


"Aufstieg und Fall des außerordentlichen Simon Snow" spielt zwar in einer Fantasywelt, ist aber allem voran ein Jugendbuch. Es macht Spaß, Simon und seine Mitschülern während ihres letzten Jahres zu begleiten und mit ihnen die großen, dunklen Geheimnisse der Magierwelt zu entdecken. Ich kann das Buch nur jedem begeisterten Leser klassischer Jugendbücher empfehlen und auch all denen, die gern zeitgenössische Fantasygeschichten lesen - denn dann ist dieser Roman genau richtig.

(Noch mehr zu Simon Snow gibt es übrigens auf meinem Blog https://brontede.blogspot.de)