Unterhaltsam & Einfühlsam

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»Niemand weiss, warum meine Magie so ist, wie sie ist. Warum sie losgeht wie eine Bombe, statt mich zu durchströmen wie ein Fluss oder wie immer es bei anderen funktioniert.« (S. 12)

Erster Satz:
Ich gehe alleine zur Bushaltestelle.

Verlagstext:
Simon Snow, der grösste und mächtigste Zauberer, den es je gab, ist eigentlich eine einzige Katastrophe. Ungeschickt bewegt er sich in der Zaubererwelt, die er doch eigentlich vor ihrem Untergang retten soll. So ist es jedenfalls prophezeit. Dabei kann er nicht einmal seinen Zauberstab gerade halten.
Aber ein Talent hat Simon doch, nämlich das zur Freundschaft. Und hätte er seinen Kumpel Penelope, seine Dauerfreundin Agatha und seinen in herzlicher Abneigung zugewandten Zimmergenossen Baz nicht, hätte er die magische Welt schon längst in Schutt und Asche gelegt. Aber mit den dreien könnte es klappen, nicht nur den Mörder von Baz Mutter zu entlarven, sondern auch die dunklen Mächte zu besiegen und die Welt der Magie zu retten. (Quelle: Buchumschlag)

Einen herzlichen Dank geht an dieser Stelle an Vorablesen und den dtv Verlag für dieses Leseexemplar.

Meine Meinung:
Ziemlich überraschen bekam ich vor ein paar Tagen Post vom dtv Verlag mit einem vorab Leseexemplar von Aufstieg und Fall des ausserordentlichen Simon Snow. Zuerst war ich verwirrt, bis mir wieder einfiel, dass ich mich ja auf Vorablesen für dieses Buch beworben hatte. Das Mail mit der Gewinnbenachrichtigung ging wohl im Spamordner unter. Oops!
Natürlich war meine Freude gross und nichts konnte mich bremsen, dieses Buch zu lesen. Innerhalb weniger Tage hatte ich es regelrecht inhaliert. Warum möchte ich euch gerne erklären.

In diesem Buch werden wir von Rainbow Rowell mitgenommen auf eine Reise zu Simon und seinen Freunden an das Zauberinternat Watford. Dort lernen junge Zauberer zusammen mit anderen Geschöpfen der Magie den richtigen Umgang mit ebendieser. Ihr fühlt euch an Harry Potter erinnert? Ja, so ging es mir auch. Es ist also nicht verwunderlich, dass Simon bei den sogenannt Normalen aufgewachsen ist und auch seine Schulferien immer noch bei ihnen verbringt, wenn auch nicht bei einem Teil seiner Verwandtschaft wie Harry, sondern jedes Jahr in einem anderen Kinderheim. Und dann ist da auch noch diese Prophezeiung, die Simon als den Auserwählten sieht, die magische Welt vor dem Schatten, dem Magie verschluckenden Bösewicht, zu retten.
Man könnte fast meinen, jetzt sei es dann zu viel des Guten und doch steht die Geschichte sehr eigenständig da und kommt nicht als Harry Potter Abklatsch daher. Dafür verantwortlich sind viele kleine, liebevolle Details.

Da wären zum einen diese tollen Beschreibungen, wie sich Magie anfühlt, wie sie Menschen ausfüllt, durchströmt und sie leuchten lässt. Magie hat nichts mit herum wedelnden Zauberstäben zu tun (auch wenn diese durchaus zum Einsatz kommen), sondern vielmehr mit der Kraft der Worte und dem Wunsch etwas zu bewirken. Im ersten Moment hat mich dieser Umstand an die Scheibenwelt Romane von Terry Pratchett erinnert, wo die Magie auch beinahe eine eigenständige, handelnde Person ist. Allerdings empfand ich die Magie bei Rainbow Rowell viel weniger als ein physikalisches Etwas, als als ein Gefühl, als etwas Formbares und Wandelbares.

»Magie ist eine Religion.
Aber du musst wirklich an sie glauben – es genügt nicht, dass du nur so pro forma die Oster- und Weihnachtsfeiertage durchexerzierst. Dein ganzes Leben muss sich ständig um Magie drehen. Wenn du mit ihr geboren bist, wirst du sie nicht mehr los […].« ( S. 199)

Und dann sind da auch die Zaubersprüche selbst. Werden wir in Harry Potter noch mit hochkomplizierten lateinischenn Begriffen konfrontiert, so sind es in der Geschichte von Rainbow Rowell ganz alltägliche Wendungen, die durch die Kraft der Worte, die Bekanntheit der Redewendung oder die Art der Aussprache die gewünschte Wirkung erzielen. Also ein „Holterdiepolter!“ und der ganze Raum spielt verrückt oder „Widerstand ist zwecklos!“ als Angriffszauber.
Während des Lesens war ich wirklich froh, wurden die Zauberformeln fett gedruckt. Manches mal wäre es ansonsten ziemlich verwirrend gewesen, grad wenn solche Wendungen mitten in einem Dialog gesprochen werden.

Ja, und die Dialoge! Rainbow Rowell ist wirklich die Meisterin der pointierten Dialoge und gewählten Worte. In vielen Gesprächen steckt ganz viel Situationskomik, so dass ich während der Lektüre schmunzeln musste.

»Meine Mum sagt, keiner weiss genau, woher du kommst. Und das du gefährlich sein könntest«
»Warum hast du nicht auf sie gehört?«, fragte ich.
»Weil niemand wusste, woher du kommst, Simon! Und weil du gefährlich sein könntest!« (S. 21)

Rowell hat wirklich ein ganz besonderes Gefühl für’s Schreiben. Selten lese ich texte, die Gefühle, Situationen und Beschreibungen so auf den Punkt bringen wie sie. Ich weiss noch, dass mich ihr Schreibstil in Eleanor & Park ziemlich gestört hat, dass ich ihn zu abgehackt fand. Auch in Aufstieg und Fall des ausserordentlichen Simon Snow finden sich viele kurze und fast abgehackte Sätze, allerdings scheinen die hier besser zu den Umständen und den Protagonisten zu passen.

Die Geschichte wird aus vielen unterschiedlichen Perspektiven erzählt. So kommen Simon, Baz, Penelope, aber auch Agatha oder der Magier zu Wort. So wird in den jeweiligen Erzählperspektiven in der Ich-Perspektive erzählt (ich hoffe, ihr versteht, was ich sagen möchte). Das gibt uns natürlich die Möglichkeit die einzelnen Persönlichkeiten sehr gut kennen zu lernen, der etwas tollpatschige Simon, eine kluge Penelope, Agatha, die sich viel mehr zur Welt der Normalen hingezogen fühlt, oder auch Baz, der vor allem zu Beginn ganz schön überheblich rüber kommt.
Manches mal hat mich aber genau dieser Umstand auch gestört. Dann nämlich, wenn immer wieder Andeutungen auf vergangene Abenteuer und Heldentaten gemacht werden, ohne dass diese gross erklärt oder ausgeführt würden. So gab es beispielsweise immer Andeutungen, dass Baz Simon mit Hilfe einer Schimäre angegriffen hätte. Allerdings wird dieser Vorfall erst viel später aufgeklärt.
Nervig fand ich diese Perspektivwechsel auch dann, wenn die Geschichte ins stocken geriet, wenn die selbe Szene aus zwei, drei unterschiedlichen Blickwinkeln ausführlich beleuchtet werden musste, mit allen Gedanken und Gefühlen des jeweiligen Erzählers versteht sich.

Auf konkretere Ereignisse in der Geschichte möchte ich jetzt auch gar nicht eingehen, denn dann würde ich euch nur zu viel verraten. So viel möchte ich aber noch gesagt haben: Rainbow Rowell zeigt auch in dieser Geschichte wieder ihr Gespür für politisch und sozial sensible Themen und greift sie auf wundervolle Art und Weise auf. Aufstieg und Fall des ausserordentlichen Simon Snow ist also nicht nur ein äusserst unterhaltsames Buch, sondern bietet auch Stoff zum nachdenken.

Fazit:
Aufstieg und Fall des ausserordentlichen Simon Snow ist ein äusserst unterhaltsames und erfrischendes Jugendbuch. Alle Fans von Harry Potter und der Scheibenwelt werden dieses Buch mit Freude lesen und all die kleinen Parallelen und liebevollen Anspielungen entdecken. Neben ganz viel Humor finden auch einige ernste uns sehr aktuelle politische und soziale Themen ihren Platz.
Ein paar Abzüge gibts von mir für den schleppenden Start der Geschichte und die ungewöhnlichen Erzählperspektiven, die dieses Schleppende noch gefördert haben. Aber alles in allem eine wirklich tolle Geschichte.

Über die Autorin:
Rainbow Rowell studierte Journalismus und arbeitete danach mehrere Jahre als Kolumnistin beim Omaha World Herald. Ihr erster Jugendroman Eleanor & Park wurde ein grosser Erfolg und gewann den Boston Globe Horn Book Award sowie den Printz Award.
Rainbow Rowell lebt zurzeit mit ihrem Mann und den zwei Söhnen in Nebraska. (Quelle: Buchumschlag)

Verlagsinfo:
erscheint am 4. August 2017
im dtv Verlag

Hardcover, 507 Seiten
auch erhältlich als eBook
ISBN: 978-3-423-64032-9