*+* Vincent Kliesch: "Auris" *+*

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
irve Avatar

Von

Jula hat ein traumatisches Erlebnis hinter sich, von dem der Leser ziemlich zu Beginn des Buches erfährt. Körperliche, aber noch viel mehr seelische Folgen quälen sie regelmäßig. Um dieser Pein zu entgehen, hängt sich die True-Crime-Podcasterin extrem in einen Fall, der sie nicht mehr loslässt. Matthias Hegel, brillanter Forensiker, hat frank und frei den Mord an einer Obdachlosen gestanden. Jula zweifelt seine Aussage an, denn nur auf den ersten Blick scheint diese glaubhaft zu sein. Sie setzt alles auf eine Karte und will mit Macht die Wahrheit ans Licht zerren. Matthias Hegel ist ein begnadeter phonetischer Forensiker, stets auf der Seite des Rechts – und er will aus nichtigem Grund einfach so das Gesetz gebrochen haben? Ich konnte Jula gut verstehen, hatte selbst das Gefühl, dass da irgendetwas nicht passt.
Je mehr sich die Podcasterin in ihre Nachforschungen stürzt, umso mehr verdrängt sie zwar ihre eigenen Probleme, umso mehr gerät sie aber auch selbst ins Fadenkreuz des Verbrechens und in große Gefahr.

Der Erzählstil ist flüssig, lebendig und oft rasant, die Geschichte springt geschickt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, offenbart an geeigneten Stellen Geheimnisse, die zum Fortkommen bei Julas Recherchen notwendig sind. So läuft der Thriller wie geschmiert, kommt aber für meinen Geschmack im Großen und Ganzen zu glatt und problemlos zum Ziel, das der eine oder andere im kleineren oder größeren Ausmaß schon recht früh erahnen könnte. Dann sind die Wenden und neuen Erkenntnisse vielleicht gar nicht so überraschend, und die Spannung nicht allzu groß.

Unter´m Strich ist Vincent Kliesch ein interessanter Thriller gelungen, wirklich begeistern konnte er mich damit aber nicht. Hegel mag zwar die vermeintliche Hauptfigur in „Auris“ sein, aber seinem Können wird wenig Raum gegeben – da hatte ich mir wirklich mehr Passagen zu seiner Arbeitsweise, vor allem mit mehr Ausführlichkeit gewünscht – aber viel präsenter ist die Podcasterin Jula mit ihrem Trauma, die Jagd auf die Wahrheit macht. Zugegebenermaßen war mir die Protagonistin nicht wirklich sympathisch, der Funke ist nicht übergesprungen. Sie wirkte oft etwas naiv und ihr spielte oft der Zufall in die Hände, sodass sie recht einfach den Lügen auf die Spur kam.
Hegel hingegen ist hingegen geheimnisvoll gezeichnet und die wirklich packenden, mitreißenden Szenen des Buches waren die wenigen, in denen er seine großen Auftritte hatte.
Vielleicht gibt es demnächst mehr über die faszinierende Arbeitsweise des Forensikers zu lesen, ein fieser Cliffhanger, der ein Stück weit den Bogen zum Beginn spannt, deutet eine Fortsetzung an.