Aneinander vorbeigeredet

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
katercarlo Avatar

Von

Das Buch und ich haben aneinander vorbei geredet bis wir nicht mehr wussten ob wir einer Meinung waren oder nicht. Zu diesem Ergebnis kam ich am Ende der Lektüre.
Doch zunächst begann sie wie das Gespräch mit einem Fremden. Ich wusste noch nichts über Handlung und Protagonisten, war aber neugierig darauf sie kennenzulernen und musste mich dafür erst einmal auf den Charakter des Buches einlassen. Der Roman hat ein ruhiges, nachdenkliches Wesen. Es ist ein angenehmer Gesprächspartner will man sich einfach von einem Gedanken zum nächsten tragen lassen und über Gott und die Welt reden – wortwörtlich. Geschichte und Erzählstil waren für mich ausgewöhnlich und neu – und damit aufregend. Die Mühe, die es macht, den Gedankengängen zu folgen und die vielen offenen Fragen über das Buch haben mich angespornt weiterzulesen und mehr zu erfahren. Ich war beeindruckt von dem Buch. Seiner feinfühligen Ausdrucksweise, seinem vielfältigen Blick auf die Welt und seinen Mut sich an das Thema Kirche und Kloster heranzuwagen. Denn beides sind keine einfachen Themen. Jeder hat dazu eine feste Meinung, egal ob fundiert oder nicht. Ich habe mich deswegen bereits vorher darauf vorbereitet, dass die Geschichte eventuell ein anderes oder sogar gegenläufiges Bild als meins zu diesem Thema beschreibt. Umso mehr hat es mich überrascht, wie bereitwillig das Buch verschiedene Meinungen zulässt und mich sogar auffordert mich selbst mit dem Erzählten auseinanderzusetzen.
Der erste Eindruck war also gut. Ich war mir sicher in dem Roman einen spannenden Gesprächspartner gefunden zu haben. Doch je weiter sich der Dialog spann, desto mehr hatte ich den Eindruck das Buch und ich redeten aneinander vorbei. Das bezieht sich nicht darauf, ob wir immer einer Meinung waren oder nicht. Das weiß ich gar nicht so recht, weil wir überhaupt keine gemeinsame Sprache fanden. Manche Aspekte schienen dem Buch ungeheuerlich wichtig zu sein – der See zum Beispiel – und es kam immer wieder darauf zurück. Nervte mich mit Wiederholungen, deren Bedeutsamkeit sich mir nicht erschloss. Auf manchen Punkten wurde geradezu herumgeritten, während andere von der Geschichte hingegen einfach als uninteressant abgetan wurden oder aus der Erzählung verschwanden. Ich hätte aber manches davon durchaus spannend gefunden und mich gerne etwas länger darüber unterhalten. Das Buch und ich fanden scheinbar einfach kein gemeinsames Gesprächsthema. Am Ende kamen wir dann bei den Nebenhandlungen noch am ehesten in den Redefluss. Sie waren wie unverfänglicher Smalltalk, der uns eine Verschnaufpause von den zentraleren Themen gab, zu denen wir es einfach nicht schafften und gegenseitig unsere jeweiligen Positionen und Meinungen zu erklären.
Bis zum Schluss fanden wir keine gemeinsame Basis. Am Ende hatte ich den Eindruck wollten wir beide das Gespräch einfach abschließen. So ruhig und fast schon meditativ wie der Erzählstil die ganzen Zeit war, so flott und ungeduldig preschte die Handlung am Schluss voran. Die Unterhaltung war mir inzwischen sehr anstrengend geworden. Deswegen war ich zum einen froh, zum anderen kam ich aber auch wieder nicht ganz mit. Ich konnte nicht alles nachvollziehen und das machte es unglaubwürdig für mich. Was mir das Buch also letzten Endes sagen wollte, habe ich nicht recht verstanden. Ich wusste nur, wir passten nicht zusammen. Aber ich wusste auch – wie so oft, wenn man sich aus der Komfortzone herauswagt - dass sich die Lektüre dennoch gelohnt hat. Gerade in dem Moment, indem man begreift, dass man aneinander vorbeiredet, wird man überrascht und entdeckt eine neue Perspektive.