Erhaben und sinnierend

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janicka13 Avatar

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Bücher haben die Fähigkeit, den Leser in eine fremde Welt, einen fremden Lebensentwurf zu entführen. Al Atheistin war ich deshalb neugierig auf ein Buch aus dem Leben eines katholischen Klostermönchs Lukas, das dem meinen wohl kaum fremder sein könnte.
Überraschenderweise ist es der Erzählung schon auf der ersten Seite gelungen, eine Verbindung zwischen dem Mönchsleben und der heutigen Realität herzustellen. So aus der Zeit gefallen ein Kloster auch wirken mag, so sind die Probleme und Gedanken des etwa 40-jährigen Mönchs Lukas, des Protagonisten, unseren gar nicht so unähnlich. Und allein schon die Tatsache, dass er ein Smartphone besitzt und die Welt um sich herum durchaus (sehr reflektiert) wahrnimmt, schafft Verständnis und Verbundenheit.
Gleichzeitig habe ich mich nicht selten bei dem Gedanken ertappt, mich über einfache, alltägliche Probleme des Protagonisten zu freuen und dann zu merken, wie oberflächlich diese Alltagsfragen doch sind. Die Mischung aus tiefergehenden Fragen und alltäglichen Begebenheiten macht den Reiz des Romans aber aus.
Die Erzähltechnik des Buches ist für die heutige Zeit eher ungewöhnlich. In der ersten Hälfte des Buches passiert: Nichts. Streng genommen geht Mönch Lukas in jedem Kapitel einfach nur in einem See nahe des Klosters schwimmen. Und auch das wird nur am Rande erwähnt. Die Gedanken und inneren Monologe, die er dabei mit sich trägt, sind aber faszinierend präzise und reflektierend. Durch Erinnerungen und Rückblicke erfährt man nach und nach mehr über Lukas. Diese Erzählart, seinen Charakter durch Gedankenäußerungen und Naturbeschreibungen vorzustellen, ist interessanterweise nicht minder spannend als eine aktive Erzählweise. Und um den Leser nicht am langen Arm verhungern zu lassen, schleichen sich nach und nach Begegnungen und Ereignisse der Gegenwart in Lukas' tägliche Schwimmroutine ein.
Beeindruckend ist die Schreibweise des Autors insgesamt. Immer wieder bin ich an Sätzen hängen geblieben, die eigentlich nebensächlich waren oder bloße Naturbeschreibungen darstellten, die aber tiefere Gedanken und Wesenszüge aufdeckten. Nicht selten habe ich mich geärgert, keinen Stift zur Hand zu haben, um diese Sätze zu markieren oder herauszuschreiben. Aber vielleicht ginge ihre Wirkung in der isolierten Form auch verloren. Ich werde das sicher beim zweiten Lesen austesten.