Starker Anfang - schwaches Ende

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frollein_wunderbar Avatar

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Das Buch weckte mein Interesse zunächst durch den Titel und die schöne, klare Optik des Diogenesverlags. Die Leseprobe war interessant und die Inhaltsangabe versprach eine "ungewohnte" Geschichte. Und die bekam ich dann auch, sowohl vom Stil als auch vom Inhalt.

Lukas erzählt vom Jetzt, von ein paar Tagen im Sommer. Er führt einen inneren Dialog mit Menschen aus seinem Umfeld, erklärt sich ihnen, ergründet sich selbst dabei. Seit vielen Jahren ist er Klosterbruder, er ist mit seinen 38 Jahren der jüngste unter ihnen und Hoffnungsträger, eines der höheren Ämter in naher Zukunft zu bekleiden. Einst waren sie zu zweit, beste Freunde, Andreas und er. Doch für Andreas war es nicht der richtige Weg, er verliebte sich und ging. Eine Nachricht über die Geburt seines Sohnes erreicht Lukas auf dem falschen Fuß, bringt ihn ins straucheln. Er hadert mit dem Freund, fühlt sich verlassen und verraten, scheint aber auch missgünstig zu sein. Nach und nach reflektiert er seine Gefühle, nach einigen Tagen entschließt er sich doch zu einer Antwort.
Immer wieder kommt er zum See, täglich geht er schwimmen. Sich im Wasser treiben zu lassen wird hierbei zum Sinnbild seines Glaubens an das Getragenwerden von Gott und der Gemeinschaft.

Man erlebt eine Entwicklung mit Lukas, empfindet seine Gefühle nach. Das ist ganz ruhig beschrieben, anschaulich. Wie er in sich geht und Zwiesprache hält, wie er abwägt, aber auch projeziert. Die Vorwürfe und Argumente sind eigentlich an ihn selbst gerichtet, eigentlich stellt er die eigenen Entscheidungen infrage.
Der Roman hat eine ganz tolle Sprache, sehr poetisch und durchdacht. Es hat mich nicht gestört, dass die Handlung quasi nicht existent ist, es war trotzdem spannend geschrieben. Jeder kommt an Punkte in seinem Leben, an denen man Entscheidungen anzweifelt, Freundschaften sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt und man nicht aus seinen Gefühlen heraus kann.

Wäre Moritz Heger 240 Seiten lang dabei geblieben, es hätte mich wunschlos glücklich gemacht.
Aber. Die Geschichte entwickelt sich im letzten Drittel aus meiner Sicht absolut zum Nachteil des Gesamtwerkes. Lukas begegnet einer Frau, Sarah. Ein platteres Klischee gibt es kaum. Warum das? Ab da wird auch die Sprache nach und nach so bildhaft, dass es 20 Seiten vor Ende in Kitsch umschlägt.
Er hätte bei den Gedanken bleiben sollen, hypothetischer oder aus der Vergangenheit sinniert. Es hätte ohne gegenwärtige Handlung bleiben sollen.
Schade um den tollen Anfang.