Tiefgründig mit schwachem Ende

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„Aus der Mitte des Sees“ hat zuerst wegen des Titels mein Interesse geweckt. Auf dem Cover ist eine Leiter zu sehen, die in ein Gewässer ragt – deswegen ich gespannt, wovon das Buch handelt. Als ich den Klappentext las, wurde klar, dass es um einen jungen Mönch im Kloster geht, der seinen weiteren Lebensweg in Frage stellt, weil sein engster Freund das Kloster verlassen und eine Familie gegründet hat. Mich hat dieses Thema angesprochen, und ich war gespannt, welche Denkanstöße ich durch das Lesen bekommen werde.

Der Einstieg ins Buch beginnt, vor der Handlung, mit dem Bibelvers „Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest.“ (Genesis 32, 27). Ich kannte das Bibelzitat nicht und wusste nicht, was es bedeutet. Also habe ich die Stelle nachgeschlagen, um den Zusammenhang zu erkennen. Die Wahl einer Bibelstelle als Einstieg fand ich hierbei sehr passend, da die Hauptfigur des Buches ein Mönch ist. Im Laufe des Lesens erschloss sich auch den Zusammenhang zwischen Vers und Handlung.

Im Fokus des Buches steht Lukas, ein junger Mönch, der von ein paar Tagen im Sommer erzählt. In einem inneren Dialog richtet er sich dabei an den Leser, der in verschiedene Perspektiven wechselt. Mit 38 Jahren ist Lukas der Jüngste unter den Mönchen, daher ist ihm eine gute Zukunft im Kloster gewiss. Die letzten Jahre hat er mich seinem engen Freund Andreas verbracht, der vor einiger Zeit aus dem Kloster ausgetreten ist, und einen anderen Lebensweg gewählt hat. Er ist nun Vater geworden, was Lukas ins Zweifeln über sein Leben im Kloster bringt. Er fühlt sich von seinem Freund verlassen und stellt die gemeinsamen Erlebnisse infrage, hegt sogar negative Gefühle gegen Andreas‘ Familie. Um seine Gefühle zu verstehen und herauszufinden, welche Zukunft er sich wünscht, kommt er immer wieder zum Schwimmen an den See. Dort reflektiert er seine Gedanken und Gefühle und spürt die enge Verbindung zu Gott. Er fühlt sich vom Glauben ebenso getragen wie von dem Wasser, in dem er schwimmt. So wird der See für ihn zu einem Abbild seines Glaubens.

Durch Lukas‘ inneren Dialog lernt der Leser ihn und seine Geschichte immer besser kennen und erlebt die Entwicklung, die er durch seine Relfexion erlebt. Die Fragen, Vorwürfe und Gedanken, die er an seine Bezugspersonen richtet, zeigen, dass er eigentlich mit sich selbst hadert. Im letzten Drittel der Handlung begegnet Lukas schließlich einer Frau. Durch Sarah werden seine Gedanken auf eine praktische Ebene gebracht und er steht vor der Entscheidung, wie sein weiteres Leben verlaufen soll.

Das Erste, was mir beim Lesen aufgefallen ist, ist der Schreibstil, der für mich schwierig zu lesen war. Das lag einerseits daran, dass viele Fremdwörter verwendet werden, teilweise aus der „theologischen Sprache“. Andererseits war der Satzbau für mich ungewohnt, aber das legte sich während des Lesens. Im Gegensatz dazu hat mir die Perspektive, aus der Lukas über seine Vergangenheit und Zukunft sinniert, sehr gut gefallen. Durch diese Perspektive zeigt sich Lukas‘ Charakter und seine Denkweise sehr gut, sodass er für mich zu einem authentischen Charakter wurde. Der poetische, hypothetische Sprachstil passt zu seiner Person als Mönch und auch seine Gedanken waren für mich sehr glaubhaft. Das Ende hingegen kam für mich sehr überraschend und erscheint mir nicht nachvollziehbar. Ich kann leider nicht näher darauf eingehen, ohne komplett zu spoilern. Den Epilog musste ich zweimal lesen, um sicher zu sein, dass ich ihn richtig verstanden hatte. Und auch jetzt frage ich mich, wie und warum das Ende so ist, wie es ist.

Insgesamt hat mir „Aus der Mitte des Sees“ wirklich gut gefallen und mich zum Nachdenken angeregt, wie erhofft. Der teils schwergängige Schreibstil und das Ende, das mir nicht gefallen hat, sind kleine Kritikpunkte, die für mich nicht schwer wiegen. Von mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung.

– Meine Bewertung: 4 von 5 Sternen –