Plötzlicher Eintritt in eine düstere Wohnung

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frischelandluft Avatar

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Man muss sich einlesen, die Sprache ist schlicht, aber stark, schnörkellos und fast schon hypnotisch. Die Worte sind zum Teil etwas antiquiert, aber atmospärisch, man wird als Leser in die Wohnung gezogen, die tagsüber dunkel bleibt, wenn “nur” noch Alessandra und Sista, die alte Haushaltshilfe zuhause sind. Es ist eine faszinierende Ausgangssituation, das Mädchen, die Erzählerin (wie alt ist sie eigentlich zum Zeitpunkt des Erzählens?) ist quasi das Ersatzkind für den verstorbenen Bruder, halb sie selbst halb das tote Kind. Was macht das zusammen mit der Dunkelheit der Wohnung und der fast mystischen Frömmigkeit der Haushälterin, die der strahlenden Erscheinung der Mutter gegenübersteht mit dem Kind? Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass Alessandra sich sehr gut ausdrückt und damit eine Überlegenheit ausstrahlt, die ihrer Geschichte eine zeitlose Ernsthaftigkeit verleiht. Es erinnert mich ein bisschen an Alexis Sorbas, auf der einen Seite die düstere Welt, auf der anderen die lockende der Musik, das Draußen, das Helle, die Schönheit, auch die Erotik, die zwischen den Eltern angedeuet wird und auf die Alessandra mit Eifersucht reagiert. Mein Lieblingswort in der Leseprobe ist “Gewohnheitssünde” – wenn die Haushaltshilfe bei der gottlosen Familie bleibt, obwohl sie innerlich glaubt, dass das eine Sünde ist. Ich bin gespannt auf mehr!
"Das verbotene Notizbuch" war eins der top 5 Bücher meiner 2022 Bücherliste.