Reiche Sprache, ein Buch für ausdauernde Leser!

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Alba de Céspedes, geb. 1911 war eine italienische Schriftstellerin mit kubanischem Vater, die sich für die Rechte der Frauen einsetzte. Zwei ihrer Bücher, die schon früher bei uns erschienen waren, wurden jetzt neu aufgelegt.

Aus der Sicht einer Frau, nämlich Alessandras, die ca. 1920 in Italien geboren wurde, wird ein Leben erzählt. Als Kind hatte sie es nicht einfach. Alessandro, ihr Bruder, war im Alter von drei Jahren ertrunken und von klein an stand neben ihr das Phantombild des hochbegabten Bruders.
Sehr anschaulich und lebendig wird das Leben der Familie in einem großen Mietshaus in Rom geschildert. Trotz weniger Einnahmen war ein Dienstmädchen üblich. Der Vater als Ernährer entsprach dem damaligen Rollenbild des alleine bestimmenden Familienoberhauptes, alle Arbeiten im Haus waren einzig Sache der Hausfrau. Kleine Freiräume und positive Erlebnisse schufen sich die Frauen durch ihre Freundschaften und Treffen während der Abwesenheit der Männer.
A.s Mutter, eine schöne, gebildete und elegante Frau, war eine gute Pianistin und trug mit Klavierstunden zum Familieneinkommen bei, musste alle Einkünfte jedoch dem Oberhaupt der Familie aushändigen. Sie legte bei der Erziehung ihrer Tochter viel Wert auf Schulbildung, Literatur und Musik, was in diesen Kreisen nicht üblich war, da das einzige Ziel einer Frau sein sollte, zu heiraten und Kinder zu bekommen.
„Meiner Mutter war es zu verdanken, dass ich ein glückliches Kind geworden war. Sie hat mich gelehrt, mich mit wenigen materiellen Dingen zu begnügen und mich mit allem anderen reich zu fühlen.“
Von Anfang an erzeugt der anschauliche und einfühlsame Sprachstil eine Atmosphäre, die den Leser tief in das Leben dieser Zeiten eintauchen lässt. Überhaupt liegt die besondere Stärke des Buches im Reichtum des sprachlichen Ausdrucks, mit dem C. ihre Welt beschreibt und von den Ereignissen erzählt. Die Übersetzerin hat m.E. eine sehr gute Arbeit geleistet.
„In dieser Straße beanspruchen die Bäume den ganzen Raum, knorrige Platanen, deren lange dichtbelaubte Äste voller Vögel sich miteinander verflechten, so dass der Blick zum Himmel versperrt ist. Die Häuser sind hoch und düster. Und abends setzen sich die Bewohner des Erdgeschosses ans Fenster um das bisschen frische Luft zu schnappen, das zwischen Blättern und Mücken zu ihnen dringt... Hinter ihnen sind dunkle, schäbige Räume zu erkennen und in ihren Augen liegt eine unendliche Traurigkeit.“
Nach tragischen Ereignissen wurde A. als Heranwachsende vom Vater zur Großmutter auf ein Dorf in die Abruzzen geschickt, wo sie lernen sollte, sich zu fügen, auch wollte man sie dort verheiraten. In der kurzen Verbindung mit Paolo erfährt der Leser von ihren hohen und romantischen Ansprüchen an die Liebe:
„Aber ich war nicht glücklich. Immer lag ein dichter Schleier zwischen diesem Spaziergang und einem glücklichen Spaziergang......Seit dem Tod meiner Mutter erschufen Worte nicht mehr die poetische, faszinierende Welt um mich her, in der ich mich lebendig fühlte. Ich wusste, nur wenn ich mit einem Mann in dieser Sprache würde reden können, würde ich Liebe und Glück erfahren.“
Auf dem Land waren die Machtverhältnisse anders, denn die Großmutter war eine starke Frau, die bestimmte. Sie erkannte die Fähigkeiten Alessandras, ließ sie weiter lernen und wollte sie zur Erbin einsetzen. Das Leben auf dem Land, das Zusammenleben mit der Großfamilie und dabei die Veränderungen A.s durch das Heranwachsen zur Frau, bestimmen diesen Abschnitt, der bis etwa zur Mitte des Buches geht. Mit Beginn des Krieges musste A. nach Rom zurück, weil ihr Vater sie brauchte.
Nun die lange zweite Hälfte des Buches, etwa parallel zur Zeit des 2. Weltkriegs. Hier wurden die Ereignisse zu ausführlich dargestellt, auch wenn sie zum Vorangehen der Handlung nicht viel beitrugen, was dem Fluss des Lesens eher schadete.
Alessandra lernt Francesco kennen und lieben und heiratet ihn. F. ist Dozent der Philosophie und politisch engagiert, während des Krieges im antifaschistischen Untergrund. Für ihn stehen Beruf und Politik an erster Stelle im Leben, auch er erwartet von seiner Ehefrau seine Ziele zu unterstützen, auf eigene zu verzichten.
Als sie zu ihrem Vater bei der Hochzeit sagt, dass sie glücklich ist, hat er treffend erkannt ...“Ich dachte, für dich würde es schwer sein, glücklich zu werden“ Tatsächlich war sie in ihrer Ehe nicht glücklich, ihre Erwartungen von Liebe und Ehe verstand ihr Mann nicht. Lange Zeit war sie alleine, da F. im Widerstand arbeitete oder verhaftet war. Sie tat alles, um seine Liebe und Anerkennung zu finden, engagierte sich selbst im Widerstand, was der Vorstellung Francescos von einer Ehefrau jedoch widersprach. Einem anderen Mann, der sie sehr liebte, widerstand sie und träumte weiter von der Erfüllung ihrer Liebe zu F.. Als sie nach seiner Rückkehr fühlte, dass ihre Hoffnungen niemals erfüllt werden können, befreite sie sich aus dieser Ehe wie sich ihre Mutter aus ihrer befreite, nur auf eine andere Art.

Die Stärke des Romans liegt zum einen in seinem einfühlsamen und sehr anschaulichen Schreibstil, der den Leser in die geschilderten Situationen versetzt und starke Bilder erzeugt. Zum anderen wird die Rolle der Frau im Italien der damaligen Zeit mit all ihrer Problematik dramatisiert. Die Schwäche sehe ich in der unangemessenen Ausführlichkeit im zweiten Teil, der nur ausdauernde Leser bis zum Ende durchhalten lässt.