Unbedingt lesen!

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holzfrieden Avatar

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Der Roman „Aus ihrer Sicht“ ist bereits 1949 erschienen und wurde jetzt ins Deutsche übersetzt. Alba de Céspedes beginnt aus der Sicht der Erwachsenen Alessandra zu erzählen. Man ist gleich sehr berührt, denn Allesandra wurde nach ihrem verstorbenen Bruder Alessandro benannt, und wird ständig mit ihm verglichen. Ihr Bruder ist bereits im Alter von drei Jahren verstorben, aber auch alles, was Alessandra später in ihrem Leben gut macht, wird darauf zurückgeführt, dass eigentlich Alessandro in ihr steckt. Ihre Mutter ist der Esoterik sehr zugeneigt und versucht immer wieder, mit ihrem verstorbenen Sohn Kontakt aufzunehmen. Ich habe die Bücher von Elena Ferrante sehr gern gelesen und bei dieser Lektüre fühle ich mich sehr an Ferrantes Erzählungen erinnert. Auch hier geht es darum, dass Frauen im Italien des beginnenden 20. Jahrhunderts, auch noch bis in die sechziger Jahre hinein, nicht dieselben Rechte wie Männer hatten. De Céspedes entfaltet ihre Geschichte vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges in Italien. Sie selber war im Widerstand aktiv und erlebte Zensur und Gefängnis. Diese Erlebnisse hat sie mit Sicherheit auch in ihrem Roman verarbeitet. Die Sprache gefällt mir sehr gut, die Übersetzerin hat es gut verstanden, die Sprache der damaligen Zeit einzufangen. Dadurch wird auch der Inhalt des Buches sehr authentisch.
Das Schicksal Alessandras zeigt eindrücklich, dass eine patriarchalische Gesellschaft nicht automatisch zur Selbstaufgabe der Frau führt. Der Weg zur Durchsetzung der eigenen Meinung und Interessen ist allerdings ein steiniger, das kann man auch heute noch sagen. Am Beispiel von Allesandras Schicksal im Italien des Faschismus wird ein eindrückliches Portrait einer mutigen jungen Frau entwickelt.