Eine ehrliche Abrechnung mit sich selbst

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heather_h Avatar

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*INHALT*
Bernd ist der Bruder des Hochspringers Carlo Thränhardt. Da er ebenso viel Begeisterung für Sport mitbringt, kommt es irgendwann dazu, dass er anfängt, Filme darüber zu machen und steigt dadurch ebenfalls in die Riege der Reichen und Schönen auf. Alkohol ist auf diversen Events stets sein Begleiter - durch ihn wird er lockerer, ungezwungener, ruhiger. Und mutiger. Als er während einer dieser Parties in Kontakt zu Kokain kommt, findet er auch daran Gefallen.
Unfähig, sich selbst die Problematik und Gefahr seines Konsums einzugestehen, macht er jahrelang so weiter - und die Spirale aus Hochprozentigem, Kokain und Valium dreht sich immer schneller. Bis Bernd die Notbremse zieht und sich in eine Privatklinik zurückzieht, wo er den ersten Entzug seines Lebens macht. Doch damit ist es nicht getan; es folgen viele Hochs und Tiefs; Entgiftungen und erneute Rückfälle, wiederholte Aufenthalte und schließlich auch AA-Treffen, die es ihm schlussendlich ermöglichen, seiner Sucht die Stirn zu bieten.
Er ist seit 11 Jahren trocken.

*MEINE MEINUNG*
Das Buch beginnt sehr eindrucksvoll. Im ersten Kapitel berichtet Bernd von den Tiefen der Sucht; Es ist 4 Uhr morgens, der Körper schreit nach Alkohol, und man nimmt sogar anderthalb Kilometer Fußmarsch in Kauf, um an der 24-Stunden-Tankstelle dem Drang nachkommen zu können (Für das Geld, das man für ein Taxi bezahlen würde, kann man sich eine Flasche Schnaps leisten!). Und wenn man vor Ort feststellt, dass das Portemonaie noch zuhause liegt, lässt man eben seine Armbanduhr Marke Tag Heuer als Pfand da.
Für mich absolut unvorstellbar - für einen Alkoholkranken traurige Realität. Nacht für Nacht.

Im Folgenden beschreibt der Autor sein Leben, von der Kindheit über die Jugend und erste Kontakte mit Alkohol bis hin zu den Exzessen und dem konstanten Zustand des Betrunken-seins. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und berichtet schonungslos offen von Familiengeburtstagen, bei denen er sich daneben benahm oder vom Koksen auf dem Herrenklo. Er schreibt über den Verlust seines Lebensmutes und der Kraft und Stärke seiner Mutter, die als treibende Kraft zu seiner Genesung beigetragen hat.
Und von der Schwierigkeit, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein und sich einzugestehen, dass man ein Problem hat.
Doch dieses Buch ist weit davon entfernt, eine Rechtfertigung zu sein. Es geht Bernd vielmehr um Aufklärung und darum, anderen zu helfen.

Nach Jahren, die er betrunken erlebt hatte, fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, wie ein nüchternes Leben aussehen kann. Und das machte ihm Angst. In seinem Buch beschreibt er, wie so ein Leben aussehen kann; wie man es schaffen kann, bei Null wieder anzufangen, nachdem er die Karriere, das Ansehen, sein Liebesleben und auch das Vertrauen seiner Familie der Abhängigkeit geopfert hat.
Und möchte damit Möglichkeiten aufzeigen, andere Betroffene animieren und vor allem die Bevölkerung für dieses Thema sensibilisieren.

Da ich auch innerhalb meiner Familie mit dem Thema Alkoholsucht konfrontiert wurde, rennt Bernd offene Türen bei mir ein - und ich hoffe, dass er mit seiner Offenheit zu vielen anderen durchdringen kann.