Das Leben und der Werwolf

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Hannah Lühmann legt mit "Auszeit" einen Roman der besonderen Art vor. Das schmale Buch zeichnet auf gut 170 Seiten eine schwierige Zeit im Leben der Protagonistin Henriette, die nach einer Abtreibung Hilfe bei ihrer Freundin Paula sucht und findet.
Das Cover wirkt kühl, vielleicht das kalte Gefühl der Leere nach der Abtreibung symbolisierend, die Henriette erfahren hat. Die verschiedenen blauen Streifen könnten auch, hält man das Buch quer, Bäume in einem Nachtwald sein. Vielleicht eine Hindeutung auf den Werwolf, über den Henriette ihre Doktorarbeit schreibt.
Der Autorin gelingt es, ein intensives charakterliches Porträt von Henriette zu entwerfen. Sie fühlt sich immer etwas zu spät kommend, beim Studieren, bei der Promotion, beim Leben insgesamt. Wunderbar wird beschrieben, wie Henriette sich fragt, warum andere Menschen in ihrem Alter immer wissen, was wann wo und wie zu erledigen ist, während sie manchmal kaum ihren Alltag bewältigt bekommt. Ich glaube nicht. dass dies auf eine Depression hinweisen soll, sondern eher auf eine liebenswerte "Verpeiltheit" von Henriette.
In einer Hütte in einem Wald möchte sie zur Ruhe kommen. Ihre Freundin Paula, die so souverän und ausgeglichen wirkt, steht ihr bei. Die Einsamkeit tut gut, wird aber durch die Ankunft von Paula´s Freund leicht gestört, der die geordnete Zweisamkeit durcheinander bringt.
Interessant ist die Brücke zu dem Thema der Doktorarbeit von Henriette. Irgendetwas mit der Kultur des Werwolfes. Offenbar war dies ein Notthema, nicht geliebt. Daher kommt die Dissertation auch nicht recht voran. So wie Henriette in ihrem Leben. Sie muss wohl den Werwolf abschütteln, um freier zu werden. Ob es gelingt? Das Lesen des Buches, welches dringend empfohlen wird, wird es zeigen.
Aus meiner Sicht ein wunderbares Buch, nur auf den ersten Blick melancholisch. Das Ende ist etwas überraschend, wie das Leben selbst.