Unglaublich diffus und auf den Punkt zugleich

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romy_abroad Avatar

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Henriette muss raus aus der Stadt, weg von den Menschen, dorthin wo nichts ist, wo sie niemand braucht - also flüchtet sie mit ihrer besten Freundin Paula für ein paar Wochen in eine kleine Ferienhütte mitten im Nichts. Dort gehen die beiden spazieren, machen Yoga und ordnen ihre Gedanken. Denn bei Henriette gibt es einiges zu ordnen: Nach einer Affäre mit einem verheirateten Mann hat sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Doch dieser nüchterne Satz kann niemals ausdrücken, was dies für Henriette bedeutet hat, für ihr Leben, ihre Zukunft, ihr ganzes Sein. Doch es ist nicht nur dieses einschneidende Ereignis, das sie beschäftigt. Ihre ganze Existenz, ihre Gedanken, Wünsche, Träume - wie setzt sich all das zu einem Ich zusammen? Woraus bestehen wir, wozu werden wir, wenn uns selbst verwirklichen? Und was, wenn wir es nicht tun?
Hannah Lühmann erforscht all diese Fragen auf eine liebevolle und zugleich schmerzhafte Art und Weise. Sie legt den Finger in Wunden, von denen ich bisher nichts wusste, und beschreibt Stimmungen, die ich noch nichteinmal benennen kann. Henriettes Geschichte ist bei genauerem Hinsehen nur ein Instrument, um den Weltschmerz unserer Generation auszudrücken, um die Parallelen unserer makellosen Biographien auszudrücken, denen es an nichts mangelt, und denen doch so viel fehlt. Für mich ist "Auszeit" von Hannah Lühmann das erste Buch seit Jahren, in dem ich mich 100% wieder finde.