Warum treibt eine Frau ihr Kind ab?

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Warum treibt eine Frau ihr Kind ab?

Henriette fährt mit ihrer besten Freundin nach Bayern, wo sie sich in eine einsame Holzhütte mitten im Wald einquartieren. Henriette braucht eine Auszeit, denn sie hat ihr Kind, ihr kleines Mädchen, abgetrieben. In der Stille beginnt sie, sich der Trauer zu stellen, von der sie denkt, nicht das Recht zu haben, sie empfinden zu dürfen. Gleichzeitig reflektiert sie ihre Vergangenheit. Mit Tobias. Wie hatte es so weit kommen können? Plötzlich erscheint Besuch, der Henriettes Leben für immer verändert.

Hannah Lühmann bespricht in ihrem Debütroman ein Tabuthema: Was führt eine Frau dazu, ihr Kind abzutreiben? Mutig und sensibel nähert sich die Autorin an ihre Protagonistin, die zerfressen ist von Schuld, Schmerz und Selbstzweifel. Eine Protagonistin, die eine Generation repräsentiert, die durch die unendlich vielen Optionen unserer Zeit und unserer Gesellschaft verlernt hat, Entscheidungen zu treffen. Die ihr Leben lang dahindümpelte, weil sie im Meer der Möglichkeiten die Orientierung verloren hat und somit sich selbst.

Lühmanns "Auszeit" ist das feine Portrait einer modernen Frau und Gesellschaftskritik zugleich. Selten kommt es vor, dass ich ein Buch an einem Tag lese. Hier ist es mir gelungen. Bereits nach wenigen Seiten verschmolz ich mit Henriette, fühlte ihre Trauer, ihren Schmerz, konnte es manchmal kaum aushalten. Doch schenkt Lühmann auch Hoffnung: Wer seine eigene Biografie reflektiert, bleibt nicht ohne Erkenntnisse. Und aus Erkenntnissen wachsen Wünsche, Träume, entstehen Veränderungen.

"Auszeit" ist ein Roman, der dringend nötig wurde. Jeder Mensch hat eine klare Meinung zum Thema "Abtreibung", doch dieses Werk ermöglicht den Blick ins Innere einer Frau, die eine radikale Entscheidung getroffen hat. Eine sehr ernste Geschichte mit Bravour erzählt! Ich bin sicher, wir werden noch mehr von Lühmann hören.