Baba Dunja

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dicketilla Avatar

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In ihrem Alter findet sie es nicht mehr wichtig, ob sie ein Jahr länger oder weniger lebt.
Daher geht sie, auch gegen das Flehen ihrer Tochter Irina, zurück in ihr Dorf.
Das Dorf Tschernowo, wo einst die Kinder fröhlich auf den Straßen spielten. Jetzt haben sie sogar ihren eigenen Friedhof, da man woanders ihre Leichen nicht haben möchte.
Nach dem Reaktorunglück 1986, verließen viele das Dorf, man hatte ihnen erst spät gesagt, was passiert war. Auch die Nachbardörfer waren verlassen.
Sie entschied sich wieder für ihr eigenes Haus, in der eine Katze lebte, neue Hausherrin war, sie der Gast. So begann Baba Dunja ihren Garten wieder zu kultivieren, von deren Erträgen sie leben musste, da die nächste Stadt zu beschwerlich für sie zu erreichen war.
Ihrem Beispiel sind bald einige gefolgt, wobei jetzt nur noch wenige übrig geblieben sind, aber diese unverwüstlich, wie die Spinnen in den Häusern.
Die Melkerin Marja, der fast Hundertjährige Sidorow, der sterbenskranke Petrow, die Gawrilows.
Baba Dunja wird von ihnen wie eine Art Bürgermeisterin angesehen, was ihr nicht gefällt.
Manchmal spricht sie mit ihrem verstorbenen Mann Jegor, froh, dass er so etwas bei ihr ist.

“Das Dorf hat eine Geschichte, die sich mit meiner Geschichte verbindet wie zwei Haarsträhnen zu einem Zopf. Ein Stück des Weges haben wir gemeinsam zurückgelegt, ich grüße die Toten immer mit einer leichten Kopfbewegung, meine Lippen bewegen sich kaum.” ( S.58 )

Baba Dunja erzählt ihre Geschichte, wie sie vor dem Reaktorunglück, jetzt in ihrem Dorf lebt.
Der Mann verstorben, Tochter Irina, Ärztin, lebt in Deutschland. Ihre Enkelin Laura kennt sie nur von Fotos, der Sohn Alexej lebt in Amerika.
Einzige Verbindung zur Tochter sind Briefe, Pakete.
Sie genießt es allein zu sein, keinem Rechenschaft gegenüber abzulegen, in den Tag hinein leben, sich an den Bienen erfreuen, wie sie seid langem wieder ihre Blüten bestäuben.

Alina Bronsky vermag es ihren Personen Leben einzuhauchen. So erlebt man selbst die Beschwerlichkeit, mit der Baba Dunja ihr Leben meistert, genau wie die anderen Personen um sie herum, die nichts mehr zu verlieren haben. Sie beschreibt es mit einer besonderen Art von Humor, lässt aber auch viel Nachdenklichkeit zurück.
Man erfährt, wie unsensibel mit den Menschen nach dem Reaktorunglück umgegangen wurde, das jedoch das Stückchen eigene Land, wie es todgeweiht, wieder zu Leben erwacht, fast schon zum kleinen Paradies wird.
Man sich an einem Spinnennetz erfreut, nicht einmal vermag, es aus dem eigenem Heim zu verbannen, da schließlich Fleiß und Leben miteinander verbunden sind.

Eine wunderschöne Erzählung, die trotz der wenigen Seiten viel zu erzählen vermag.