Lebensabend in der Todeszone

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buecherfan.wit Avatar

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Im Mittelpunkt von Alina Bronskys neuem Roman “Baba Dunjas letzte Liebe” steht wieder - wie schon in “Die ältesten Gerichte des tatarischen Küche” eine beeindruckende Frauengestalt, die 82jährige Baba Dunja, die in Wirklichkeit Evdokija Anatoljewna heißt. Sie war eine der letzten die den Ort Tschernowo nach der Reaktorkatastrophe verlassen hat und eine der Ersten, die zurückkamen. Ein Dutzend meist alter Menschen kehrte zurück, weil sie ihre letzten Lebensjahre lieber in ihrem Heimatort als in irgendeinem Ort mit anonymen Plattenbauten verbringen wollen. Sie sind Selbstversorger, leben von Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten und halten Tiere. Wasser holen sie vom Brunnen, manchmal haben sie sogar Strom. Zum Einkaufen müssen sie in die Nachbarstadt Malyschi. Die ehemalige Krankenschwester Baba Dunja ist hier glücklich. Sie hat alles gesehen und vor nichts mehr Angst, auch nicht vor den Spätfolgen der Strahlung. Mit der übrigen Welt haben di4 Dorfbewohner nichts mehr zu tun. Baba Dunja steht allerdings in brieflichem Kontakt mit ihrer Tochter Irina, die in Deutschland als Ärztin bei der Bundeswehr arbeitet. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter. Ihre Enkelin Laura hat Baba Dunja noch nie gesehen. Besuche in der Todeszone sind zu gefährlich, und das versteht die alte Frau. Ihre Tochter schickt ihr regelmäßig Päckchen mit Dingen, die es in Tschernowo nicht gibt, weil sie wohl Schuldgefühle gegenüber der Mutter hat.

Die Idylle wird empfindlich gestört, als eines Tages ein Mann mit seiner gesunden Tochter in den verstrahlten Ort zieht, um sich an seiner Ex-Frau zu rächen. Als Baba Dunja ihn deshalb zur Rede stellt, kommt es zu Handgreiflichkeiten und einem tödlichen Zwischenfall. Alle Einwohner von Tschernowo werden festgenommen und landen im Gefängnis. Baba Dunja bekennt sich schuldig, weil sie glaubt, nichts mehr zu verlieren zu haben. Als sie einige Zeit später begnadigt wird, besteht sie drauf, nach Tschernowo zurückzukehren. Ein selbstbestimmtes Leben in ihrem geliebten Dorf ist ihr wichtiger als ein vergleichbar luxuriöses Leben bei ihrer Tochter.

Das schmale Bändchen liest sich gut. Die sympathische Protagonistin berichtet in meist lakonischer, manchmal aber auch bildhafter Sprache aus ihem Alltag (“Der Himmel hängt hellblau wie ein verwaschenes Bettlaken über dem Dorf.” S. 7). Es passiert nicht viel., bis die Fremden kommen und nach ihnen die Miliz. Baba Dunja hat eine erstaunlich positive Einstellung zum Leben. Sie hegt gegenüber niemand einen Groll, auch nicht gegenüber ihrer Tochter Irina, die sie offensichtlich über ihr Leben belügt bzw. alles Wichtige verschweigt.

Eine nette Lektüre, die einmal mehr das Thema “Familie” behandelt.