Ganz wunderbar

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gkw Avatar

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Als Kind verbrachte Sydney die Sommerferien mit Eltern und Bruder jahrelang in St. Ives an der Küste Südenglands, bis ein entsetzlicher Sommer alles beendete.
Nun wird sie 47, ist Freerunnerin, lebt in einer lesbischen Beziehung und kehrt erstmalig nach all den Jahren zurück nach St. Ives. Hier trifft sie nicht nur auf ihre Vergangenheit, sondern auch auf einen Haufen eigenartiger Menschen, die alle ihre eigenen Probleme haben.

KOMMENTAR
Wir starten mit Sydney, die mit acht beim Shoppen mit ihrer Mutter eine Leiche findet, lernen im nächsten Kapitel dann die Leiche bzw. ihre Gedanken etwas besser kennen, und schon steht Sydney im dritten Kapitel kurz vor ihrem 47. Geburtstag, lebt offenbar in einer lesbischen Partnerschaft und ist leidenschaftliche Freerunnerin.
Das ging ja mal flott.
Aber hier ist alles flott: ein munterer, humorvoller Erzählstil, manchmal auch genial lapidar.
Ebenso flott sind die Überschriften, die schon bezaubern, bevor man mit dem Buch überhaupt angefangen hat: "Nennen Sie es, wie Sie wollen, es stinkt trotzdem" - "Es tut gut, im Dunkeln das Meer zu hören" - "Es könnte mich überfordern" - "Waren Sie nie ein Kind, Mister Smith?"
Sydney hat ihre Probleme mit dem Vorfall, der sich vor vielen Jahren in St. Ives ereignete (und von dem wir Leser sehr lange nicht wissen, was nun eigentlich passiert ist) , aber nun, mit 47, versucht sie, sich der Vergangenheit zu stellen.
Aber auch die anderen Menschen, die wir hier kennenlernen, haben ihre Probleme:
Belle lebt mit Ende 20 noch bei ihren Eltern, hat keine Freunde und führt das Hängebauchschwein des Nachbarn spazieren.
Dexter trägt auch gerne mal Kleider.
Howard ist seit Jahrzehnten einfach immer nur traurig.
Maria ist im falschen Leben beim falschen Mann gelandet und da verharrt sie nun schon seit Jahrzehnten.
Ruth weiß nicht, woran sie ist bei ihrer Partnerin.
Alle sind etwas wunderlich und ungewöhnlich, aber absolut glaubwürdig dargestellt. Und man mag sie alle! (Außer den paar anderen, die ich jetzt nicht hier vorgestellt habe.)
Das Ganze wird nicht chronologisch erzählt, wir springen hin und her zwischen Jetzt und der Vergangenheit und wechseln ebenso flott auch die Perspektiven und dann kann es durchaus sein, dass wir mal die Sichtweise eines Toten oder eines Hundes kennenlernen.
Sehr schön, wie zunächst unbedeutende Motive, z.B. "Du könnest mich hart und glatt und schön machen" dann über 200 Seiten später wieder auftauchen. Da habe ich bestimmt einiges "übersehen", was dann evtl. beim nächsten Lesen mehr auffällt.
Das Buch handelt von Trauer und Verlust, von Schuld und von Vergebung. Vor allem aber geht es darum, Wege zu finden oder zumindest zu suchen, um das Leben neu zu gestalten. Man muss nicht verharren. Und Menschen können einem helfen, die Spur zu wechseln.
Alles in allem ein wunderbares Buch, heiter und traurig, humorvoll und melancholisch.