An der Autobahn ausgesetzt nach einer schönen Fahrt

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zauberberggast Avatar

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Der trockene Humor von Alina Bronsky ist genau mein Fall. Ich schätze ihre messerscharfe Beobachtungsgabe was Alltagsunzulänglichkeiten im Allgemeinen und menschliche Schwächen im Besonderen betrifft. Während sie im "Zopf meiner Großmutter" stark satirische Töne anschlug, ist "Barbara stirbt nicht" hingegen relativ zahm. Zwar ist der Protagonist Herr Schmidt ein liebenswerter Sancho Pansa, der tapfer gegen die Windmühlen seines unfreiwilligen späten "Hausmann-Daseins" kämpft, aber er wird zu keiner Zeit von der Autorin bloßgestellt.

Es geht in dem Buch viel darum, welche Lieblingsrezepte von Barbara sich ihr Ehemann Walter aneignen muss, während seine Frau in einem mysteriösen Zustand zwischen Krankheit und Rekonvaleszenz verweilt. LeserInnen werden über die eigentliche Natur von Barbaras Zustand im Unklaren gelassen.

Den ganzen Roman durchzieht eine eigentümliche Melancholie, eine Sehnsucht nach dem vergangenen Gestern. Bronsky zeigt an ihrem Protagonisten Herrn Schmidt exemplarisch auf was das plötzliche Bewusstsein über das Vergehen der Zeit mit uns Menschen macht. Gestern noch waren wir jung und heute sind es nicht mal mehr unsere Kinder. Herrn Schmidt, der bis zu Barbaras Krankheit in den Tag hinein gelebt zu haben scheint, trifft diese Erkenntnis wie ein Schlag. Was soll er nun anfangen mit den Resten seines alten Lebens? Wie soll er umgehen mit der bruchstückhaften Gegenwart? Und noch dazu mit der verschwiegenen Familientragödie, die erst im letzten Drittel des Buches ans Licht kommt?

Das offene Ende ist mir persönlich etwas zu abrupt, lässt viele Fragen offen, die ich noch an den Roman gehabt hätte. Leider erfahren wir nicht, unter welcher Krankheit Barbara eigentlich leidet. Ich hätte Herrn Schmidt und Barbara gerne noch eine Weile weiter begleitet. Bronsky wägt ihre LeserInnen bis zum Ende in der trügerischen Sicherheit sie würden auf ein tragikomisches versöhnliches Ende zusteuern, nur um sie dann ohne Vorwarnung an der Autobahnraststätte auszusetzen. Das ist mein Hauptkritikpunkt an diesem schönen, traurigkomischen Roman, der ein Gefühl der Unvollständigkeit zurücklässt.