Emanzipation im Alter

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
constanze_pachner Avatar

Von

"Walter Schmidt ist ein Mann der alten Schule: Er hat die Rente erreicht, ohne zu wissen, wie man eine Tütensuppe zubereitet, und ohne jemals einen Staubsauger bedient zu haben. Schließlich war da immer seine Ehefrau Barbara. Doch die steht eines Morgens nicht mehr auf. Und von da an ist alles anders. (Klappentext)

Der Alte erhob sich aus dem Thron seines Arbeitszimmers, schob provokant geräuschvoll die Schiebetür zum Wohnzimmer auf, um seine fordernde Präsenz zu zementieren, und schwadronierte schlawenzelnd, den Duft seiner zu stillenden Gelüste ausdampfend, zielgerade zum Tresen der schieferverkleideten Küche hin.
Sich die Zunge über den Mund fahrend verweilte er in Verwunderung, als er kein blubberndes Maschinengeräusch hören konnte. Er versicherte sich routinezweifelnd - an der zu Diensten stehenden Küchenuhr - der Uhrzeit. Komisch!
Als er seinen zu Besuch angereisten Sohn sich die Treppen aus dem Untergeschoss hochhiefend wahrnahm, löste sich seine Verwunderung, und setzte sich - narzisstisch an seine humorvolle Eleganz glaubend - in Szene:
"Kaffee gibt es heute wohl keinen mehr!?"

So musste ich diesen Mann über Jahre hinweg erleben, der zeitlebens bedient wurde. Ihm war leider das Glück, sich im Alter revolutionär emazipieren zu können, nicht vergönnt. Er fand nicht wie Walter im Roman den geheimnissvollen Schlüssel zum Tor der warmherzigen Fürsorge.

Die Autorin Alina Bronsky wirft mit spitzen, realitätsbezogenen Humorpfeilen, ohne dabei die entstehenden Wunden zu vergessen, die sie mit streichelnd empathischen Worten zwischen den Zeilen pflegt. Sich die Haare raufend, los prustend oder einfach nur mitfühlend trabt der Leser durch 'Barbara stirbt nicht': eine Geschichte die zeigt, dass es für nichts zu spät ist, egal wie groß die Hürde zu sein scheint.