Großartig und bewegend!
Eigentlich ist es eine recht simple Geschichte: Eine alt gewordene Ehe, die Kinder inzwischen verstreut im Lande; Herrn Walter Schmidts russischstämmige Ehefrau Barbara wird pflege- und betreuungsbedürftig und Walter muss sich der völlig neuen Herausforderung stellen, die Versorgung und den Haushalt zu managen - und das, wo er noch nie zuvor im Leben eigenhändig eine Tasse Kaffee gekocht hat. Man ahnt, dass es um Barbara nicht gut bestellt ist und alle Menschen im Umfeld und die eigenen Kinder scheinen mehr über Barbaras Zustand zu wissen als Walter, dessen Herz seit Jahrzehnten erkaltet zu sein scheint; vielleicht will Walter aber all die Traurigkeit seines Lebensentwurfes nicht an sich herankommen lassen, weil sie ihn überwältigen würde. Walter ist streng zu sich und anderen, das Gegenteil von einem Menschenfreund, glaubt niemenden zur Unterstützung zu benötigen, lehnt Hilfe zunächst kategorisch ab. Man könnte ihn als Leser hassen, wäre er nicht eine so traurige Figur, die sich im Verlaufe der Geschichte dann doch noch wandelt, ohne dabei aber jemand komplett anderer zu werden. Walter erlernt mithilfe eines Fernsehkochs die Mahlzeitenzubereitung für sich und Barbara und übertrifft sich schließlich selbst; und weil Essen Leib und Seele zusammenhält, ist das Walters Weg Barbara gegenüber seine Liebe auszudrücken. Und wie es Alina Bronski in einer sehr nüchternen Schreibweise gelingt, eine Geschichte über nur 256 Seiten hinweg derart zu wandeln - von einer zuweilen komisch anmutenden Erzählung zu Beginn hin zu einem wahren Lebensdrama am Ende - das ist großartig und bewegend!