Herr Schmidt lernt sich selbst zu versorgen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
miro76 Avatar

Von

Herr Schmidt ist bereits Rentner, als er eines Tages aufwacht und alles ist anders. Er riecht keinen Kaffee und hört kein Hantieren aus der Küche. Wo steckt nur Barbara, seine Frau, die immer sein Leben organisierte.

Doch Barbara ist im Bad umgefallen und fühlt sich nicht gut. Herr Schmidt hilft ihr auf und führt sie ins Bett, wo sie quasi liegen bleibt.

Herrn Schmidt ist das alles ein Rätsel. Sie war doch immer gesund, hat sich nie beklagt. Wer soll den jetzt für ihn kochen und seinen Tag strukturieren?

Mühsam lernt Herr Schmidt auf eigenen Füssen zu stehen und beginnt dabei Barbaras Tätigkeiten endlich zu würdigen. Nicht alles gelingt ihm auf anhieb, aber er bessert sich.

Wenn Herr Schmidt von seiner Frau spricht, dann hat man als Leser*in das Gefühl, er spricht von einem Haustier. Er erzählt davon, wieviel Geduld er anfangs mit ihr hatte, weil das Essen nicht so schmeckt wie bei Mutti und ist stolz darauf, dass er sie nie geschlagen hat. Das liest sich streckenweise schon sehr heftig, aber man liest auch zwischen den Zeilen, dass sich Barbara ihr Leben wohl organisiert hat und nicht nur auf das Wohlwollen ihres Mannes angewiesen war. Manche seiner Aussagen jagen mir einen Schauder über den Rücken, aber über manche kann man auch schallend lachen. Er ist ein Urdeutscher, der es einfach nicht schafft, ein bisschen Weltoffenheit in sein Leben zu lassen.

Extrem amüsant fand ich, wie Harr Schmidt über seine Tochter denkt, die mit ihrer "besten Freundin" zusammenlebt. Auf den Gedanken, dass seine Tochter eine Frau hat, kommt er nicht einmal ansatzweise.

Doch Herr Schmidt beginnt mit seinen Aufgaben zu wachsen. Er öffnet seinen Geist, sein Horizont wird weiter und es könnte Sympathie für ihn aufkommen, bis es ihm wieder einen typischen Altnazisatz raushaut. Er kann eben doch nicht aus seiner Haut.

Wäre der Anlass nicht so traurig, würde es richtig Spaß machen, ihn bei seiner Entwicklung zu begleiten. Doch auch davor verschließt Herr Schmidt seine Augen, denn Barbara stirbt nicht!

Mit diesem Buch beschäftigt sich Alina Bronsiky, wie schon in den Vorgängern mit den Verschrobenheiten der älteren Generation. Doch diesmal setzt sie einen Großvater ins Zentrum und tut das mit gewohntem Wortwitz, kritisch und dennoch sensibel. Sie gibt diesem typischen Rollenbild eine Stimme; zeigt, dass auch unter der rauesten Schale ein weicher Kern stecken kann und dass man nie zu alt für Veränderung sein kann.

Mir hat das Buch hervorragend gefallen. Ich mag diesen schwarzen Humor und habe mich gut amüsiert bei der Lektüre, auch wenn ich mir manchmal dachte, dass man besser hinter vorgehaltener Hand lachen soll. Daher vergebe ich 5 Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung!