Porträt einer Ehe

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petris Avatar

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Walter Schmidt war es gewohnt, dass seine Frau alles im Haushalt regelt. Sie kocht, sie putzt, sie macht die Wäsche. Doch eines Tage findet er sie am Boden liegend im Bad, er hilft ihr zurück ins Bett und hofft, dass es am nächsten Tag wieder sein würde wie früher. Das tut es aber nicht. Barbar bleibt im Bett, fühlt sich schwach.
Walter Schmidts Taktik im Leben ist es zu verdrängen. Er nennt die Freundin seiner Tochter hartnäckig ihre „beste Freundin“, will keine Hilfe,… Doch diesmal funktioniert das nicht. Barbara kommt nicht so schnell wieder auf die Beine. Der grummelige Walter, der stolz darauf ist, dass er seine Frau nie geschlagen hat, der sich etwas darauf einbildet, dass er Barbara nicht arbeiten gehen ließ und ihr jetzt erlaubt, ihren Aktivitäten nachzugehen (Yoga, Freiwilligenarbeit im Jugendzentrum,...), der rassistisch und unfreundlich ist, ist kein Sympathieträger, doch jetzt hat er eine Mission: Barbara muss essen, damit sie wieder zu Kräften kommt. Keine einfache Aufgabe, denn Walter weiß nicht einmal, wo der Kaffee steht, geschweige wie man Kaffee kocht. Mit seiner ihm eigenen Sturheit beginnt er, sich selber das Kochen beizubringen. Hilfe findet er im Internet bei einer Kochsendung und bei der jungen blauhaarigen Bäckereiverkäuferin.
Bitterböse, komisch und total traurig zugleich ist diese Geschichte. Walter ist wirklich ein Mensch, bei dem es schwer fällt, ihn zu mögen. Er macht auch in dieser Geschichte keine wundersame Wandlung durch und wird zum lieben, umgänglichen Menschen. Aber innerhalb seiner Grenzen verändert er sich und wie er versucht, seine Frau zum Essen zu bewegen, ihr sogar Borschtsch kocht, den sie liebt, den er sie aber nie kochen ließ, das ist berührend. Gleichzeitig möchte man ihn schütteln und sagen: „Mach doch die Augen auf vor der Realität!“
„Barbara stirbt“ ist ein ganz besonderes Buch, denn es ist witzig und böse und zugleich sehr berührend und traurig. Walter will man eigentlich hassen, aber in seiner Hilflosigkeit und seinen Bemühungen und seinem hartnäckigen Verdrängen gewinnt man ihn dann trotzdem irgendwie lieb. Es ist ein Roman über Familie, über alte Rollenbilder, über Abschied und über Freundschaft.
Ich mag Alina Bronskys Bücher, mit „Barbara stirbt“ ist ihr wieder ein großartiger Roman gelungen. Unbedingt lesen!