Unsympathische Hauptfigur, die ans Herz wächst

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
ellinorliest Avatar

Von

Herr Schmidt ist ein sehr traditionsbewusster Mensch: bei ihm hat alles seine klare Ordnung, die Dinge haben so zu sein, wie es diese Ordnung sagt und nicht anders. Das bedeutet bei ihm auch, dass seine Frau Barbara für den gesamten Haushalt zuständig ist. Nur liegt Barbara eines Tages plötzlich krank im Bett und steht nicht mehr auf. Herr Schmidt weigert sich, den tatsächlichen Ernst der Lage zu erkennen und lehnt daher auch alle Hilfe ab.
Da Barbara sehr schwach ist, ist Herrn Schmidts größtes Anliegen, dass sie etwas isst. Er macht sich daher daran, dass Kochen zu lernen und ist tatsächlich bald besser daran als Barbara. Nach und nach findet er sich in die neue Situation und kommt langsam zu neuen Erkenntnissen.
Barbara stirbt nicht ist ein äußerst amüsantes Buch, dass ich in einem Rutsch durchgelesen haben. Dabei gelingt es Alina Bronsky, mit Herrn Schmidt eine Figur zu schaffen, die eigentlich recht unsympathisch ist (fest gefahrene Meinungen, Rassismus, Intoleranz, ständiges Genörgel etc.), die mir aber doch am Schluss sehr ans Herz gewachsen ist. In seiner Hilflosigkeit (er kann am Anfang wirklich gar nichts im Haushalt) und seiner Realitätsverweigerung, die aber gleichzeitig das unbedingte Aufrechterhalten des Scheins nach außen mit sich zieht, tat er mir fast leid. Es gibt immer noch viele dieser Ehepaare, die genau nach diesem traditionellen Rollenmuster funktionieren und bei denen durch den Tod der Ehefrau alles aus dem Ruder kommt.
Der Schluss des Buchs kam mir zwar ein wenig zu abrupt, dennoch war es ein schönes Leseerlebnis, das ich gerne weiterempfehle.