Vier Sterne für den kauzigen Herrn Schmidt

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elke seifried Avatar

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Ich habe schon einige Bücher von Alina Bronsky gelesen und wurde dabei von ihrer spitzen Zunge stets ganz wunderbar unterhalten. Ich war daher sehr gespannt und voller Vorfreude, vielleicht waren meine Erwartungen dadurch auch etwas zu hoch, aber ihr bester Roman ist dieser für mich eindeutig nicht.

Zwar geht es gewohnt spitz los, man wird mit „Herr Schmidt Freitagfrüh aufwachte und den Kaffeeduft vermisste, dachte er zuerst, dass Barbara im Schlaf gestorben sein könnte. Das war zwar eine absurde Vorstellung– Barbara war gesund wie ein Pferd–, noch abwegiger schien allerdings die Möglichkeit, dass sie verschlafen haben könnte. Sie verschlief nie. Doch als er sich im Bett umdrehte und sah, dass die Betthälfte neben ihm leer war, schien ihm plötzlich am wahrscheinlichsten, dass Barbara auf dem Weg in die Küche tot umgefallen war.“ sofort bitterböse in die Geschichte geworfen, lernt Herrn Schmidt mit samt seinem inneren Groll, seinem längst überholten Weltbild, seiner veralteten Einstellung Frauen gegenüber und seiner Fremdenfeindlichkeit kennen und kann mitverfolgen, wie er sich nach und nach aus der Rolle des Ehemanns, der sich nach Strich und Faden von seiner Frau bedienen lässt, befreien muss, weil Barbara das Bett nicht mehr verlässt. Vom ersten verunglückten selbst gekochten Kaffee bis hin zum fast perfekten Hausmann, ist man vor allem bei seinem Bemühen um die Optimierung dieser Fähigkeiten mit dabei, während das Verhältnis zu seiner Frau, seinen Kindern und seine großen Schwächen im Zwischenmenschlichen, äußerst zurückhaltend in die Handlung einfließen. Mag dies vielleicht auch optimal zur Szenerie an sich, nämlich, dass er die schwere Erkrankung seiner Frau und der drohende Abschied von ihr, ebenso beiseite drängt, passen, empfand ich irgendwann einfach Längen, wenn es wieder nur ums Zubereiten diverser Gerichte und Kuchen geht. Durchaus klar ist mir, dass es einfach seine ihm einzig mögliche Art ist, ihr seine Zuneigung zu zeigen, die Geschichte ja auch eigentlich ihre Tragik eine Stück weit daher bekommt, aber so viel Raum hätte das wegen mir einfach nicht einnehmen müssen.

Herr Schmidt hat mich mit meinen Emotionen hin- und hergeworfen. Klar, sympathische oder gar liebenswürdige Seiten wird man an ihm nicht finden, das ist nicht seine Art, aber immer wieder konnte er mich mit seinem Bemühen auch rühren, oft habe ich schlicht Mitleid mit ihm verspürt. Er ist, wie von der Autorin gewohnt, mit seinen Eigenheiten in meinen Augen äußerst gelungen dargestellt. Nur zu gut konnte ich ihn mir vorstellen und auch, dass er sich von Null auf fast Hundert zum Profi in der Küche entwickelt fand ich realistisch gezeichnet zumal ja auch einige Zeit ins Land zieht. Er nimmt die Hauptrolle ein, der Roman dreht sich um seine Entwicklung. Sohn Sebastian, Tochter Karin und auch seine Ehefrau Barbara nehmen dabei ganz kleine Nebenrollen ein, bekommen daher auch kaum Profil, was mich aber nicht gestört hat.

Noch schwerer wäre es mir sicher gefallen, am Buch zu bleiben, wenn mir der Schreibstil nicht wie stets äußerst gut gefallen hätte. Bitterböse, pointierte Formulierungen und Szenen, die mich schmunzeln ließen, wie „….sah sich in der Küche um. Das hier war Barbaras Reich, die Oberflächen glänzten ihm entgegen. Er hatte ihr zur goldenen Hochzeit eine neue Küche geschenkt, ein Sammelgeschenk für all die anderen Hochzeitstage und Geburtstage, an denen er nichts geschenkt hatte, und auch für alle künftigen, an denen er nichts schenken würde.“, sowie Gedanken und Dialoge, die mit Wortwitz glänzen, haben mich durchaus streckenweise gut unterhalten. Der Autorin gelingt es einfach das Kopfkino zum Laufen zu bringen. Wer kann sich einen Herr Schmidt bei der Beschreibung, „Die blöde Suppe funktioniert nicht, […] So viel Zeit verloren, für nichts. Was das ganze Gemüse gekostet hat. [… Warum fängst auch gleich mit so was Schwierigem an, […] Was hast du falsch gemacht? Poste mal das Rezept. Am Rezept lag es nicht, versuchte Herr Schmidt Lydias Ehre zu retten. Das alles ist einfach keine Beschäftigung für einen Mann. Barbara liegt im Bett, und ich weiß nicht, ob sie wieder aufstehen wird, sie will nicht zum Arzt, sie will nichts essen. Ich schufte wie eine Küchenmagd, und alles für die Katz.“, schon auch nicht mehr als gut vorstellen. Wenn auch eher spärlich, fanden sich durchaus für mich auch berührende Szenen, wie z.B. »Vor dem Essen kein Kuchen. Weißt du ja.« Henry nickte, für Herrn Schmidts Geschmack einen Tick zu bereitwillig. Er seufzte und nahm ein großes Messer aus der Schublade, schnitt ein Stück ab und hielt es Henry hin. »Jetzt nimm schon!«, wenn der Enkel sich das erste Mal auf ihn einlässt, oder er einem Obdachlosen an Weihnachten etwas zum Essen bringt. Alina Bronsky spielt dabei wie immer mit Emotionen. Diese an sich tolle Geste macht sie so z.B. sofort wieder zunichte, indem sie ein „Herr Schmidt spürte Wut in sich aufsteigen. »Warum sitzt du überhaupt hier? Warum arbeitest du nicht? Bist du krank? Bist du schwach?« Er erwartete keine Antwort, nicht einmal ein Dankeschön. Musste sich wieder bücken, um sein Zeug in den Korb zu werfen, den Pullover hinterher. »Hast du gesunde Arme und Beine, musst du arbeiten«, sagte er scharf. »Dass du dich nicht mal vor deinem Hund schämst.« Der Penner schwieg, die Augen auf den Boden gerichtet. Herr Schmidt hatte endlich alles beisammen. Es ärgerte ihn, dass der Mann sich nicht einmal verteidigte.“, hinterher schiebt, womit sie zudem ihre feinen Spitzen an Gesellschaftskritik gekonnt setzt.

Alles in allem werden Leser, die den Stil der Autorin kennen und schätzen bestimmt auch diesen Roman gerne lesen, für alle, die Fans von Alina Bronsky werden wollen, würde ich eher ihre anderen Bücher empfehlen.