Weiter so, Walter!

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Der verheiratete Rentner Walter ist plötzlich auf sich allein gestellt. Doch ist er nicht zum Witwer geworden, denn seine Frau Barbara hat einen Schlaganfall erlitten. Sie, die doch immer alles gemacht hat, muss nun versorgt werden, denn sie will nicht ins Krankenhaus, und er will nichts von der Schwere ihrer Krankheit wissen. Die Herausforderungen sind für Walter nicht gering, doch allmählich wächst er über sich hinaus. Allmählich erkennt er auch, wie perfekt, verlässlich und bescheiden seine Barbara war und ist.
Mich hat dieses Männerbild nicht erstaunt, denn gerade bei der älteren Generation habe ich ähnliche Profile beobachtet. Auch wenn Alina Bronsky die Menschentypen gern überzeichnet, hier hat sie die Realität dargestellt. Zum Glück hat sich vieles geändert, und die jüngeren Männer sind keine solchen Paschas mehr.
Bronsky setzt das Alltagsgeschehen der Familie so um, wie es nun einmal stattfindet. Ihr Sprachstil passt hervorragend dazu: kein Wort zu viel, alles wird deutlich beschrieben, unprätentiös, lebensnah, farbig, zu Herzen gehend. Auch das Tempo ist erfreulich, die Spannung besteht von der ersten Seite an.
Meine Anteilnahme gilt natürlich Barbara, aber auch Walter gewinnt immer mehr an Sympathie, denn er bemüht sich redlich. Was man von vielen Männern, deren Frauen erkranken, nicht behaupten kann.
Das Cover mit dem überquellenden Filterkaffee könnte stimmiger nicht sein. Das Bild strahlt aber auch die Sauberkeit aus, die Barbara im Haushalt einst geschaffen hat und die nun Walter ebenfalls anstrebt.
Seit „Scherbenpark“ lese ich alle Bronsky-Bücher mit Begeisterung. Dass ein Autor schwierige Situationen so authentisch darstellen kann, bedingt eigene Erfahrungen, und die sind der im asiatischen Teil Russlands geborenen Alina Bronsky nicht abzusprechen. Mich freut jeder Preis, der ihr zuerkannt wird, und ich warte jetzt schon auf ihr nächstes Buch.
Empfehlen möchte ich den Roman vor allem jenen Leserinnen und Lesern, die sich von ihren Vorurteilen nur schwer lösen können.