Eins sein mit dem Wasser

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Danny Kelly ist ein Schwimmtalent. Im Wasser ist er ganz bei sich, wird eins mit ihm, spürt seine Kraft. Ein Trainer erkennt das Talent des Jungen und er bekommt ein Stipendium an einem guten College, damit er dort trainieren kann. Sport wird in Australien ganz groß geschrieben, denn "es gibt nicht viel anderes in dem wir gut sind". Danny gehört im Grunde nicht zu diesem etwas elitären Kreis der Mittelschicht. Und das bekommt er auch zu spüren von seinen Mitschülern. Dazu kommt der Neid, weil er ein so guter Schwimmer ist. Doch der Hass auf seine Mitschüler lässt ihn nur noch verbissener werden.

Danny hat ein wenig Probleme in der Interaktion mit Menschen. Er braucht klare Strukturen, Regelmäßigkeiten. Und er ist extrem Selbstfixiert. Er kreist um seinen eigenen Bauchnabel und bezieht alles sofort auf sich, im guten wie im schlechten. Als er bei einem wichtigen Rennen nur 5. wird, obwohl es sich anfühlte, als wäre es sein Rennen, stürzt er in Verzweiflung. Dieses öffentliche Versagen und Zusammenbrechen wird für ihn zu einer tiefempfundenen Scham, die er erst als erwachsener Mann langsam ablegen kann. Er scheitert an seinen eigenen hohen Ansprüchen an sich selbst, denkt, er müsste alle zufriedenstellen, seinen Trainer, seine Familie. Er will ein Sieger sein. Aber als er merkt, das er zwar an seiner Schule der Beste ist, aber noch lange nicht in ganz Australien oder gar weltweit, wirft er gleich alles hin. Ohne den Halt, den ihm das Schwimmen gab, kann er mit seinem Leben nichts anfangen. Die Kraft, die er in das Schwimmen steckte, verwandelt sich in Aggression, die sich auch in einer Gewalttat, für die er ins Gefängnis musste, äußert.

Christos Tsiolkas hat sein Buch nicht geradlinig erzählt. Es beginnt mit einem erwachsenen Danny, der sich jetzt Dan nennt, im fernen Schottland, wo er eine Weile mit seinem Liebhaber lebt. Aber schon in nächsten Kapitel sind wir im Jahre 1994 bei dem Jungen, dessen Schwimmtalent gerade entdeckt wurde und auf die neue Schule geht. Diese Zeitsprünge gibt es die ganze Zeit, so dass sich nach und nach das Bild von Dannys Leben zusammenfügt. So kann man parallel lesen, was sich der junge Danny vom Leben erhofft und wohin es ihn im Erwachsenenleben verschlagen hat. Das ist oft zutiefst traurig, wenn man erkennt, das keiner seiner Träume wahr wurde.

Tsiolkas beschreibt zutiefst poetisch und einfühlsam, wenn Danny schwimmt, wie er das Wasser wahrnimmt, es teilt, sich zu eigen macht, wie seine Muskeln arbeiten. Das ist sehr bildhaft und wunderbar geschrieben. Ich hatte zuerst mit den Zeitsprüngen meine Schwierigkeiten, da man gerade die Abschnitte, die den älteren Danny zeigen, oft nicht einordnen kann. Aber nach und nach erkennt man die Zusammenhänge und den Ablauf. Und im nachhinein gefällt mir diese Erzählart sehr gut, es fügt sich alles ineinander. Der Autor wirft einen sehr kritischen Blick auf die australischen Gesellschaft und ihre Eigenwahrnehmung. Das klingt oft sehr desillusioniert. Da reitet er ein wenig zuviel drauf herum, vor allem in den Diskussionen zwischen Dannys australischer Freundin und seinem schottischen Freund. Allerdings ist es durchaus interessant, insbesondere, wenn man nur die schönen Postkartenfotos kennt von Australien und evtl eigene schöne Urlaubserfahrungen gemacht hat.

Mir gefällt Tsiolkas Schreibstil gut, hier vor allem die wunderbaren Bilder, die er fürs Schwimmen zeichnet. Im Grunde erzählt er nur eine relativ handlungsarme Geschichte, aber ich konnte das Buch sehr zügig und flüssig weglesen.