Der Schein des Lottoscheins

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metalpanda Avatar

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Journalist Robert Walcher hat ein Abkommen mit Frau Zehner aus dem Tante-Emma-Laden: statt das Geld in die Lotterie zu investieren, spendiert er den Betrag an die Opfer von häuslicher Gewalt. Zum Schein wird jedes Mal ein alter Lottoschein zwischen den Händen der Verkäuferin und des Käufers gewechselt.

Dass das ganze Lotto ein weitaus bedeutenderes, skandalöseres Scheingeschäft ist, erfährt Walcher, als er auf einer seiner Fotorouren eine männliche Leiche entdeckt. Sie liegt auf einem Ordner mit der Aufschrift „_Company_“. Beruflich bedingt neugierig, nimmt Walcher den Ordner an sich – und ist bald selbst tiefer in den Spinnweben der _Company_ drin, als es ihm lieb wäre....

Die Zusammenfassung verspricht durchaus eine lesenswerte Story, und so machten mich der Klappentext sowie die Leseprobe neugierig. Leider entwickelt sich die anfangs glorreich scheinende Idee des Autors in der Ausarbeitung zu einem teilweise unrealistischen Plot. Dass zwei Menschen ein Imperium mit weltweitem Einfluss auf Lug und Betrug im Lottogeschäft aufbauen, ist doch recht schwer vorstellbar.

Die Leseprobe, gespickt mit mysteriösen Zahlenfolgen, gewürzt durch den schaurigen Leichenfund, versprach eher eine Schnitzeljagd, doch man erfährt schon bald die komplette Geschichte, die auch noch zu einfach gestrickt ist. Die Erzählung plätschert nun dahin, nur ab und zu vom Terror unterbrochen. Die erzwungene Brutalität ist in meinen Augen überflüssig, ein paar Leichen weniger hätten auch schon gereicht.

Bei einem Krimi, der in kleinen Ortschaften in Allgäu spielt, erwartet man zudem sowas wie Lokalkolorit. Dieses kommt hier eindeutig zu kurz. Die Bodensee-Alpen-Kulisse ist zwar hintergründig vorhanden und Rangnick nimmt sich die nötige Zeit, die bezaubernde Landschaft auch für die Leser jenseits des Weißwurst-Äquators adäquat zu beschreiben. Doch die meisten Figuren könnten genauso gut ganz woanders leben – der Spielort ist im Endeffekt beliebig austauschbar.

Auf eine enttäuschende Erzählung kommt leider auch noch ein verwirrendes Ende.

Die Vorgeschichte sowie die Verfolger kennt der Leser sowieso fast von Anfang an, die Auflösung am Schluss, die Frage nach dem Warum ist enttäuschend einfach gestrickt.

Ich persönlich konnte mich zudem nicht recht mit dem Protagonisten Walcher anfreunden. Einerseits wird detailliert auf seine Lebensgewohnheiten eingegangen (Nacktduschen im Garten, Sherry als regelmäßige Abdeckung des Flüssigkeitsbedarfs), jedoch kommt die Figur grob geschnitzt rüber. Wann arbeitet er eigentlich? Auch das Verhalten seiner Freundin Lisa gegenüber ist befremdlich. Überhaupt ist Kater Bärendreck der Einzige, der Leben in Walchers Bude bringt.

An manchen Stellen handelt der Protagonist völlig unverständlich, was die Identifikation mit seiner Figur beinahe unmöglich macht. Er ruft z.B. bei einem Leichenfund nicht die Polizei, weil er Angst hat wegen Einbruch belangt zu werden – was ist denn schließlich wichtiger? Mit einer wichtigen CD geht er in ein Internet-Cafe und vergisst sie dort beinahe, ist aber auch noch auf den Betreiber sauer, der ihn in letzter Sekunde an die Scheibe erinnert.

So tollpatschig wie sich Walcher verhält, ist es völlig unverständlich dass der Killer ausgerechnet ihn nicht zu fassen bekommt, wo er doch so versierte Techniken hat und über viele Leichen gegangen ist.

Da ist es ja fast vorhersehbar, dass die Aufklärung nicht durch Walcher, sondern durch Zufälle geschieht. Walcher ist eher eine passive Figur, die das Geschehen beobachtet und sich von den Gegebenheiten treiben lässt. Zudem ist der Leser dem Walcher in seinem Wissen oft voraus, was die Geschichte fast schon langweilig macht.

Zusammenfassend kann man sagen: der Grundstein der Geschichte hätte durchaus einen solideren, komplizierten Aufbau vertragen können.