Tief erschütternde Geschichte

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"Baumschläfer" von Christian Duda ist eine sehr erschütternde Geschichte, die auf einem wahren Fall basiert. Mark S. aus Mönchengladbach wächst in sehr schwierigen Familienverhältnissen auf: Der Vater ist Alkoholiker, die Mutter halbseitig gelähmt. Die ohnehin schwierige Familiensituation eskaliert im Jahr 2014. Marks Vater dreht durch und ersticht seine Frau, während Mark sich dazwischenwirft, um es zu verhindern. Die Mutter stirbt sofort, Mark wird schwer verletzt, der Vater stirbt später in Haft. Mark und seine Schwester kommen ins Heim. Doch Mark bricht immer wieder aus. Er wird sozial auffällig. Eine Verlegung in eine Psychiatrie gelingt nicht, da von  Mark laut Gutachten weder eine Selbst-, noch Fremdgefährdung ausgeht. Mark wird durch Sozialarbeiter betreut, bis er irgendwann nicht mehr auffindbar ist. Er fühlt sich zu Bäumen hingezogen, die so einsam sind wie er selbst; dort lebt und übernachtet er. 2017 wird er bereits mumifiziert tot auf einem Baum sitzend aufgefunden. 

Dudas Geschichte greift diese wahre Geschichte auf und verarbeitet sie in ihrem Jugendroman. Die Details orientieren sich weitgehend am realen Fall, nur die Namen werden verändert. Mark S. wird zum Beispiel zu Marius. Sein Vertrauen in die Welt ist tief erschüttert, er leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Die Hilfe, die man versucht, ihm anzubieten, kann er nicht annehmen, jedoch fällt er auch ein stückweit durch das soziale Netz. Es ist eine sehr erschütternde Geschichte, die mich emotional sehr bewegt hat. Die wahre Begebenheit des Mark S. wird im Nachwort erwähnt.

Das Buch ist eigentlich ein Jugendbuch. Doch ist eine solche Geschichte, die von extrem harten Tobak erzählt, Jugendlichen zumutbar und von diesen verarbeitbar? Ich habe meine Zweifel. Zumindest bräuchte es eine Begleitung beim Lesen, zum Beispiel durch Pädagogen in der Schule. Die Lektüre ist ansonsten sicher für viele kaum auszuhalten. Selbst mir als Erwachsene fiel sie schwer. 

Die Autorin catched die Leserschaft direkt  - nicht nur durch das entsetzliche Geschehen selbst, sonder ebenso durch eine eigenwillige, bruchstückhafte Sprache und der Verwendung von Wortfetzen. Diese Sprache spiegelt den Zustand von Marius recht gut wieder. Ich habe bei der Lektüre sehr mitgelitten mit Marius, dessen tief verletzte Psyche ihm das Leben zur Hölle macht. Und ich war entsetzt, wie wenig für Marius getan werden konnte. Das komplette Hilfesystem hat versagt. Als gebürtige Mönchengladbacherin hat mich die Geschichte besonders bewegt, so dass ich die wahre Gegebenheit, von der ich noch nie etwas gehört habe, recherchiert habe. 

Dieses Buch verdient Aufmerksamkeit und ist eine wichtige Warnung, Jugendliche mit ihren schweren Schicksalen nicht alleine zu lassen. Hätte der sinnlose und viel zu frühe Tod von Marius, von Mark S. vielleicht verhindert werden können?

Was geschehen ist, kann leider nicht mehr rückgängig gemacht und korrigiert werden. Aber man kann für dioe Zukunft aus dem Geschehenen Lehren ziehen. Dudas Geschichte ist ein Beitrag in diese Richtung. Als Lektüre für Jugendliche halte ich es aber nur bedingt geeignet, auch wenn ich es unbedingt für lesenswert und wichtig halte.