Blasse Protagonistin

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desirée Avatar

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"Beeren pflücken" von Amanda Peters war vermutlich das Buch, auf das ich mich in diesem Frühjahr mit am meisten gefreut habe. Die vielen begeisterten Rezensionen aus dem englischsprachigen Raum sowie der Klappentext versprachen eine packende Lektüre. Leider war der Roman nicht das erwartete Highlight für mich.

Bereits ganz zu Beginn ist klar, dass es sich bei Norma um die vermisste, kleine Schwester Ruthie des Protagonisten Joe handelt. Joe und seine Familie, eine Mi'kmaq-Familie aus Nova Scotia, kommen Jahr für Jahr nach Maine, um dort bei der Beerenernte zu arbeite. Eines Tages verschwindet die vierjährige Ruthie spurlos, Joe war der letzte, der sie gesehen hat. Die Geschichte erzählt von den getrennten Leben von Norma/Ruthie und Joe bis ins späte Erwachsenenalter hinein. Aus der Ich-Perspektive erfahren wir, wie es es Norma in ihrer "neuen" Familie ergangen ist, bei Joe verfolgen wir ein Leben voller Schuldgefühle und Flucht. Er fühlt sich verantwortlich für das Verschwinden seiner Schwester und kann dies nie wirklich überwinden.

Ich empfand die Geschichte insbesondere zu Beginn als ausgesprochen zäh und langatmig erzählt und ich habe das Buch sogar für einige Tage zur Seite gelegt. Große Probleme hatte ich mit Normas Geschichte, da ich sie als ausgesprochen unglaubwürdig empfunden habe bzw. hat mich Normas Passivität extrem gestört. Immer wieder stößt sie auf Hinweise, dass sie nicht die leibliche Tochter ihrer Eltern ist und ihr werden Lügen erzählt, die völlig an den Haaren herbeigezogen sind (u.a. würde sich ihre dunkle Hautfarbe durch einen italienischen Opa erklären). Norma akzeptiert das so, hinterfragt nichts, konfrontiert ihre Eltern nicht, weil sie befürchtet, dass ihre Mutter Kopfschmerzen haben und traurig sein könnte. Auch später gibt es mir in der Auflösung zu wenig Konfrontation. Norma wurde als vierjähriges Mädchen entführt, extrem manipuliert und ihre Kindheit war noch nicht einmal fröhlich. Aber auch das wird mehr oder weniger so hingenommen. Da sträuben sich mir als Mutter die Nackenhaare!
Über die Hälfte des Buches spielt auch die Entführung selbst keine wirkliche Rolle.

Joes Geschichte fand ich durchaus lesenswert. Seine Schuldgefühle, seine Trauer und Wut waren überzeugend. Auch das Ende empfand ich als gelungen.

Fazit: Leider kein Highlight, trotz großem Potential.